Irgendwas ist ja immer

Mein Zwangsaufenthalt in Duschanbe ist nach 10 Tagen beendet und ich kann, Aziz und Allen die mit Rat und Tat geholfen haben sei Dank, meine Tour fortsetzen.

Nachdem ich vor drei Tagen bereits einen weiteren Versuch unternommen hatte in den Pamir zu gelangen, musste ich wegen des gleichen Defektes, aber mit Hilfe zweier Soldaten die beim Anschieben geholfen hatten, nach bereits 250 gefahrenen Kilometern kurz vor Kalaikhum erneut zurück nach Duschanbe und so bin ich also nun ein drittes Mal auf dem Weg. Diesmal allerdings mit gemischten Gefühlen, denn ob es wirklich ein Wackelkontakt bzw. ein leicht korrodierter Stecker war, wird sich erst noch zeigen müssen.

Noch gestern Abend kam mir in den Sinn, nachdem ich in den letzten Tagen im Grunde mehr mit dem Motorrad beschäftigt gewesen war, dass das Ablaufdatum meines Permits für den Pamir an meine maximale Aufenthaltsdauer geknüpft sein dürfte und die endet in 9 Tagen. Es wird also auch höchste Zeit. In einem Homstay in Kyalaikhum erfahre ich vom Wirt, dass man am Sonntag eher als 12 Uhr durch die lange Baustelle fahren könne und so mache ich mich um 9 Uhr auf den erneuten Weg nach Chorogh.

Da ich die nächsten 500 km die gleiche Strecke fahren werde wie vor 2 Wochen hätte ich nicht gedacht, dass es anders werden könnte. Es geht schon allein damit los, dass ich es nicht einmal bis zur eigentlichen Sperrung in etwa 50 km Entfernung schaffe, sondern die Straße bereits nach 35 km gesperrt ist. Reste der letzten Sprengung sind noch nicht ganz aus dem Weg geräumt und so warte ich bis zur Freigabe 1,5 Stunden. 

Zuvor aber mache ich einmal mehr mit dem Straßenbelag oder vielmehr mit seinen ,möglichen Eigenschaften Bekanntschaft. Nicht, dass ich gestürzt wäre, zumindest fast nicht, aber ich weiß nicht aus welchem Grund man hier und da mit einem Tankwagen die Fahrbahn nässen muss. Zur Staubunterdrückung wird es eher nicht sein, das wäre in der Nähe von Wohnhäusern angebrachter. Es könnte eventuell ein Grund darin zu finden sein, dass sich der zentimeterdicke mehlige Belag binden oder aber sich die Fahrbahn setzen soll. Nun hat der mehlige Belag allerdings fast die Eigenschaft von Gips und das Einzige was sich für mich setzt ist die feuchte Masse in das Profil meiner Reifen. Für einige Meter verlieren die dadurch fast jeglichen Gripp.

Die Sperrung hat den Vorteil, dass ich an den knapp 20 Lkws und einigen SUVs vorbeifahren kann und damit in die Polposition komme. So bleiben mir wenigstens die Staubwolken erspart. Es ist 11 Uhr als es weitergeht . Noch 6 Stunden bis Chorogh. 

Ich frage mich später, ob die einfache Lokalität, etwa 145 km vor Chorogh, eventuell einen Vertrag mit der chinesischen Firma haben könnte, die die Bauarbeiten an der Straße durchführt. Wie vor 2 Wochen ist die Straße an eben dieser Lokalität gesperrt. Mehrere SUVs warten bereits. Es könne Stunden dauern meint man und ich erfahre, dass ein Felsbrocken, größer als ein Einfamilienhaus bei der letzten Sprengung auf der Fahrbahn läge. Es ist kurz nach 14 Uhr. Irgendwann will ich mir ein eigenes Bild machen und fahre weiter vor. Ich bin nicht der Einzige. Um 17 Uhr erfolgt eine Sprengung die den Giganten zerlegt, doch das Wegräumen wird dauern. Für mich zu spät an diesem Tag und so fahre ich kurz vor dem Dunkelwerden zurück und erreiche wenig später wieder die besagte Lokalität, wo ich mein Nachtlager auf einer dieser stuhlhohen, etwa 3x3 Meter großen orientalischen Liege-Sitzgelegenheiten aufschlage. Erst gegen 20 Uhr donnern die Lkws aus der Gegenrichtung vorbei und wird es nochmal etwas staubig und laut. Dann bin ich morgen eben der Earl-Bird und wenig später schlafe ich unter einem Sternenhimmel ein, den ich so noch nie im meinem Leben gesehen habe.

Mit der Dämmerung stehe ich auf und sitze nach einer Katzenwäsche auf dem Motorrad. Es ist 6 Uhr. Noch sind wenige Fahrzeuge unterwegs. Morgens geht man, zumindest in diesem Teil des Landes nicht mit einem Hund Gassi, sondern mit einer Kuh. Wenig später kommen mir Schulkinder in ihren Schuluniformen winkend entgegen. Immer wieder winkende und lächelnde Menschen egal welchen Alters und Geschlechts. Noch nie in meinem Leben ist mir eine solch geballte Freundlichkeit begegnet wie hier in diesem Teil von Tadschikistan. Ich komme mit dem Zurückwinken und Kopfnicken fast nicht hinterher.

In Chorogh frühstücke ich erst einmal und nachdem es mir im dortigen Hospital zu voll ist, fahr ich weiter Richtung Ischkoschim. 30 km hinter Chorogh soll es ein kleines Medical Center geben in dem ich mir die Fäden aus der Hand ziehen lasse möchte.

Ein Schotterweg führt den Berg hinauf und ich komme in eine kleinere Ansammlung einfacher Wohnhäuser. Am Ende der Straße befindet sich eine Schule und gleich daneben das vermeintliche Medical Center. Ich steige ab und werde augenblicklich von Schulkindern umringt. Der ehemaliger Deutschlehrer der Schule kommt näher und nachdem ich ihm erklärt habe was ich möchte, schickt er einen Schüler los. Wenig später erscheinen zwei Frauen, die mir der Deutschlehrer als die beiden Ärztinnen des Dorfes vorstellt. In einem eher behelfsmäßigen als praxistypischen Raum, der aber als sehr einfaches Kurzzeitkrankenzimmer fungieren könnte, zieht man mir die Fäden und erhalte ich einen neuen Verband. Eine Bezahlung wird abgelehnt, dafür bekomme ich eine Einladung zum Tee, die dann ich wiederum ablehnen muss, weil ich heute noch weiter will. Man schenkt mir noch einen Beutel Äpfel und dann werde ich winkend verabschiedet. Einen Motorradfahrer hatte das Dorf bis dahin offenbar noch nicht als Gast.

In Ischkoschim treffe ich mich kurz mit dem Mechaniker der mir vor 2 Wochen den Transport organisiert hatte und dann fahre ich zur heißen Quelle "Bibi Fatima" wo ich übernachte. Damit bin ich zumindest schon mal weiter gekommen als vor 2 Wochen. Es hat ja etwas gedauert und zeitlich eng ist es auch geworden, aber nun könnte ich es schaffen.

Nach einem Bad in der 43 Grad heißen Quelle, das ein guter Bodycheck für den 4655 m hohen Al-Beital-Pass sein könnte, mache ich mich wieder auf den Weg. Leider ist es sehr diesig und so ist mir die Fortsetzung unglaublicher Landschaftsbilder aus dem Waghan Valley nicht vergönnt. 

Nachdem ich gestern 11 Stunden unterwegs gewesen war, lasse ich es heute ruhiger angehen und fahre deshalb nur ins nahe Langar, dem letzten Ort an der afghanischen Grenze und bis zum Pamir Highway. Auf den kommenden 230 km von Langar in 2800 m Höhe bis nach Murgab in etwa 4000 m Höhe werde ich dann wissen, ob mir die Höhe Probleme bereiten könnte oder nicht.

Aspirin, das mir empfohlen worden war, habe ich mir bereits besorgt und so werde morgen sehen wohin mich meine weitere Reise fünhren wird. Nach Osh in Kirigsistan oder auf dem schnellsten Weg und damit über den Pamir Highway zurück nach Chorogh, dann durch die für mich gefühlt grässlichste Baustelle der Welt wieder nach Duschanbe und von dort zur Grenze nach Usbekistan. Mir blieben nur 4 Tage für die Ausreise. Aber soweit muss es ja nicht kommen.

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