Und wie geht es jetzt weiter?
Um kurz nach fünf klopft es an meine Tür. Draußen steht der Automechaniker, mein Helfer in der Not.
Da hatte ich ihn wohl irgendwie falsch verstanden. Nach 15 Minuten sitzen wir, zwischen uns sein 8 jähriger Sohn, in seinem LKW.
Als wir gestern Nachmittag gemeinsam das Motorrad verluden, musste ich mich zuerst einmal mit meiner Vorstellung von der Art der Befestigung gegen seine durchsetzen. Nur zu gut war mir der streckenweise schlechte Zustand der Straße in Erinnerung geblieben und ein nicht mehr fahrbereites Motorrad heißt noch lange nicht ein kaputtes Motorrad. Letztendlich zeigte er sich überzeugt.
Nach knapp 4 Stunden Schaukelfahrt in einem Lkw aus russische Herstellung Baujahr 1979, erreichen wir 5 km vor Khorogh einen Checkpoint. Er dürfe diesen mit seinem Wagen nicht passieren, da er keine Genehmigung habe erklärt er mir und, dass ein anderer Wagen käme, wir also umladen müssten. Wenig später muss ich schmunzeln, als er dem neuen Fahrer sofort ins Handwerk fuscht, da dieser eine eher laxe Befestigung wählen will. Kurze Zeit später erreichen wir im Randgebiet Von Khorogh eine Werkstatt, eine Kfz Lehrwerkstatt wie sich herausstellt. Der Lehrer, mein Fahrer nennt ihn "Teatcher", spricht relativ gutes Deutsch. Er habe vor ein paar Jahren in Deutschland eine Zusatzausbildung gemacht erklärt er mir. Nachdem der Tank abgebaut ist erfolgen ein paar Runden Fachsimpeln und Beratschlagen, denn man sei eigentlich eine Autowerkstatt. Dann kommt man zu dem Ergebnis, dass ich erst einmal ins Hotel fahren möge. Ich verabschiede ich mich und steige in ein bestelltes Taxi. Er werde sich darum kümmern verspricht er mir und ich erkenne in seinen Worten einen gewissen Ehrgeiz. Wenn man es nicht reparieren könne werde man mir aber auf jeden Fall bei der Organisation eines Transports nach Duschanbe behilflich sein.
Natürlich wäre ich von dort mit meinem Motorrad weggefahren, aber so kann ich fürs Erste etwas positiver in die Zukunft blicken.
Wenn jetzt der Taxifahrer noch einen funktionierenden Bargeldautomaten findet, wäre das für den Anfang erstmal das Größte.
6 Bargeldautomaten später stehe ich erwartungsvoll als 14ter in einer Schlange vor dem scheinbar einzig funktionierenden Automaten in Khorogh. Hier und da haben manche Probleme, andere halten anschließend Geldscheine in der Hand. Ich gehöre wenig später auch dazu. Im Hotel bekomme ich mein altes Zimmer wieder und mache mich danach nochmal auf den Weg in die "City".
Manchmal ändern sich Dinge schneller als man denkt.
Ich sitze gerade in einem Café als mich der "Teatcher" aus der Lehrwerkstatt anruft. Man könne das Motorrad nicht reparieren, habe aber für heute Abend bereits einen Transport nach Duschanbe organisiert der jedoch 2700 Somoni, etwa 230 € kosten werde. Man werde das Motorrad aufladen und mich dann im Hotel abholen.
Mit 2700 Somoni und damit zwar fast das Tageslimit dessen was ich abgehoben hatte, bin ich mehr als einverstanden, checke im Hotel wieder aus, darf dennoch das Zimmer und die Dusche kostenfrei benutzen und gehe, da ich noch nicht einmal gefrühstückt habe, erst einmal ins Hotelrestaurant.
Um kurz nach 16 Uhr steht der Pickup mit meinen Motorrad vor dem Hotel. Der "Teacher" erklärt mir noch, dass unterwegs umgeladen werden müsse und dann geht es auch schon los.
Nach 120 km, es ist 21 Uhr und bereits dunkelste Nacht, wird mit Beleuchtung der Handys umgeladen. Ein weiteres Motorrad einige Reifen, die als Puffer dienen werden und noch ein paar andere Sachen befinden sich bereits im Lieferwagen mit Kofferaufsatz. Zu allem Überfluss verletzte ich mich an einem der geladenen Aluprofile und ziehe mir eine tiefe und längere Schnittverletzung am rechten Daumenballen zu, die später im Krankenhaus in Duschanbe behandelt werden wird. Sollte man das Motorrad tatsächlich in Duschanbe reparieren können, hätte man jetzt ein paar Tage mehr Zeit.
Vor uns liegt eine ruppige, staubige Strecke, die am Tage nur mittags für eine Stunde wegen Bauarbeiten und Sprengungen geöffnet ist. Im Scheinwerferlicht wirkt die Strecke bisweilen bizarr. Den rauschenden Grenzfluss unmittelbar zur linken kann man nur hören aber nicht sehen. Die angeleuchteten Felsen springen in den Weg und verschwinden sogleich wieder in der Dunkelheit. Die Bodenwellen, Steine und der Schotter werfen lange Schatten auf der Fahrbahn. Gelegentlich kommen Fahrzeuge entgegen muss in der Dunkelheit auch mal zurückgeset4zt werden um ein Passieren möglich zu machen.
Gegen 8 Uhr erreichen wir Kalaikhum und damit wieder eine asphaltierte Straße. Der Fahrer hat es nicht eilig. Auf der südlichen Route erreichen wir, 36 Stunden nachdem ich in Ischkoschim geweckt worden war, nach knapp 700 km gegen gegen 17 Uhr die Motorradwerkstatt in Duschanbe.
Da ich seit dem Unfall in Armenien im letzten Jahr keine Milz mehr habe, könnte eine infizierte Wunde und damit im weiteren Verlauf eine Blutvergiftung lebensgefährlich für mich werden. Nachdem Check-in im Hostel fahre ich mit dem Taxi ins Krankenhaus.
Mein in der Übersetzer App vorbereitete Text bringt mich ohne Umwege zum Arzt. Nach nicht einmal einer Stunde verlasse ich wieder das Krankenhaus. Die Wunde, die sich bereits infiziert hatte ist gesäubert und mit 3 Stichen genäht worden, hatte man mir Medikamente für 80 Somoni, etwa 6,75 € besorgt und habe ich mit 250 Somoni, etwa 20€, den Arzt bezahlt. Ich fahre mit einem guten Gefühl aber todmüde ins Hostel und schlafe nach 40 Stunden ohne Schlaf sofort ein.
Ich bin wieder im Krankenhaus. Wie verabredet. Meine am Abend zuvor erhaltenen 3 verschiedenen Ampullen, von dem mir gesagt worden ist es handele sich um ein Vakzim, habe ich dabei. In der Apotheke gleich nebenan besorge ich mir auf Geheiß 4 Spritzen und zwei Tabletten, wovon ich eine sofort einnehmen muss. Spritze zwei und drei sind ein Allergietest, zwischen beiden bekomme ich einen neuen Verband. Danach erhalte ich die letzte Spritze. Alles verläuft trotz Verständigungsproblemen, die durch die App jedoch überbrückt werden können, freundlich, schnell und unkompliziert. Morgen soll ich zur erneuten Kontrolle erscheinen.
Ich stehe in der Werkstatt und habe ähnliche Fragezeichen in den Augen wie der Mechaniker. Ich allerdings mit einem eher neutralen Gefühl, obwohl ich mittlerweile denke, dass man mir nicht helfen kann. Morgen soll es mit der Fehlersuche weitergehen.
Am Nachmittag bin ich dann verabredungsgemäß in der Werkstatt. Aziz, der Inhaber der Werkstatt baut gerade eine neue Batterie ein und flickt anschließend die von mir zwecks Überbrückung des Seitenständerschalters durchtrennten Kabel wieder zusammen. Aziz werkelt vor sich hin. Aus seiner Mimik ist nichts zu entnehmen und auf die Frage, ob er denn einen Fehler gefunden habe antwortet er nicht wirklich, bastelt aber aus einer Pepsi-Flasche ein Gehäuse für das zerlegte Gehäuse des Anlasserrelais. Dann setzen wir gemeinsam den Tank wieder auf und schließen alles an. Und dann dreht er den Zündschlüssel, das Display fährt hoch, geht nicht wieder aus und dann drückt Aziz den Startknopf.
Der Motor springt an wie immer, als wenn nichts gewesen wäre. Ich stehe fast ein weinig überwältigt daneben und kann es nicht glauben. Woran lag es aber, frage ich ihn und er antwortet sehr wortkarg, dass es am Seitenständerschalter gelegen habe. Ich kann das zwar so ganz nicht glauben, denn ein überbrückter Schalter kann keinen Fehler verursachen, aber andererseits ist es mir auch egal, ob es dann vielleicht auch die zu kleine bzw. einfach nur falsche Batterie war oder doch das in Korough zerlegte Anlasserrelais. Das Motorrad lauft wieder und so kann meine Tour, wenn die Fäden aus meiner Hand erst wieder gezogen worden sind, weitergehen.
Tags: Tadschikistan