Tadschikistan
Bei Bekobod in Usbekistan, unweit von Chadschund in Tadschikistan, komme ich an einem Grenzposten dessen Tore geschlossen sind.
Pkws, kleine Transporter und nur sehr wenige Lkws stehen in einer überschaubaren Schlange. Vor dem Toren aufgebrachte Grenzgänger mit Sack und Pack im wahrsten Sinn des Wortes. Sie reden und rufen durcheinander und auf die beiden Grenzbeamten hinter dem Tor ein. Ich schlängle mich bis vors Tor durch und erhalte von dem Grenzer eine Antwort, die mich zunächst auch nicht weiterbringt. Ein Wartender markiert mir dann auf meinem Handy einen anderen, 44 km entfernten Grenzübergang.
2 Stunden dauert das Grenzprocedere, wegen eines Reisebusses mal wieder etwas länger. Durch tatkräftige Unterstützung der Wartenden beim Umfahren der Fahrzeugschlange und geschicktem Vordrängeln bei der Passkontrolle, kann ich einiges abkürzen. Ich komme mir groß vor. Nicht weil ich mich vordrängelt habe, sondern weil ich mir vor dem Passschalter wie Moses Hightower in "Police Academy" Folge 1-7 vorkomme. Mit meinen 180 cm kann ich über fast alle Köpfe hinwegsehen.
Auf dem Weg nahe Chadschund, der zweitgrößten Stadt Tadschikistans, wo ich übernachten werde, komme ich zu einer Mautstelle. Ich will gerade in eine der Gassen bis zur Schranke vorfahren, als ich von LKW-Fahrer zurückgerufen werde. Sie zeigen mir hinter ihren LKWs einen kleinen Schotter Pfad. Ich deute an, dass ich auch an der Schranke vorbeifahren könne, da wird mir per Handzeichen mitgeteilt, dass dort Kameras wären. Gesagt, getan und weiter geht`s. An der nächsten Mautstelle zeigt mir dann ein Mitarbeiter der Mautstelle wie ich wo zu umfahren habe. Vorbei ist es mit dem zarten Ruch des Verbotenen.
Was mir sofort ins Auge fällt sind wieder die unterschiedlichen Pkw Modelle, dass anstelle der lateinischen nun wieder russische Schrift vorherrscht und bei Neubauten ein ähnlicher Unterschied besteht, als käme man in Deutschland gerade aus Holland. War darüber hinaus Usbekistan auch eher flach wie Holland und zudem eine Wüste, so erscheint Tadschikistan eher bergig, mit viel Grün in den Niederungen, gibt es wieder reichlich Kurven und nicht nur das ödes Geradeaus. Aber es gibt auch viel Müll am Straßenrand. Mehrmals beobachte ich, wie aus einem fahrenden Wagen heraus Plastikflaschen aus dem Beifahrerfenster geworfen werden. Mancherorts versucht man dieser Unsitte mit am Straßenrand aufgestellten und mit der Öffnung in Fensterhöhe befindlichen blauen Gitterboxen in Form einer Flasche zu begegnen.
Von Chadschund nach Duschanbe fahre ich durch einen Gebirgszug der mich in der Gewaltigkeit ein wenig an den Kaukasus erinnert, obwohl die Berge hier eher kahl und ockerfarben sind. Dann ein Tunnel. Ich erkenne beim Heranfahren, dass ich in ein schwarzes Loch fahren werde. Ich reduziere die Geschwindigkeit, klappe das Visier hoch um so viel wie möglich zu sehen, sehe aber erst einmal nichts. Ich bekenne, dass ich in diesem Augenblick alle GS Fahrer um ihren "Tannenbaum" an Frontbeleuchtung beneide und hoffe, keine Panne zu haben. Keine Beleuchtung, keine Fahrbahn- oder Seitenmarkierungen und ein Fahrlicht, das sofort von den Wänden verschluckt wird. Ein Pkw überholt mich und ich hoffe vergebens, dass er vor mir fahrend wenigstens ein wenig den Tunnel ausleuchtet, doch seine Geschwindigkeit ist höher und er rauscht davon. In der Ferne tauchen Scheinwerfer auf, der Tunnel füllt sich zunehmend mit immer lauter werdenden Motorengeräusch und dann donnert der Lkw auch schon an mir vorbei. wenigsten konnte ich für einen kurzen Zeitraum erkennen, dass die Fahrbahndecke nur etwas uneben, ansonsten aber einwandfrei zu sein scheint. Nach einigen Kilometern sehe ich Licht am Ende und fange langsam an mich wieder zu entspannen. Auf gutem Asphalt mit vielen Kurven geht das dann auch relativ schnell.
Etwa 100 km vor Duschanbe biege ich ab. Mein Ziel ist der 24 km entfernt liegende Iskanderkul See. Die Straße ist eine Mischung aus schlechtem Asphalt, Schotter und Waschbrett. Bei einer Abzweigung frage ich einen entgegenkommenden Taxifahrer nach dem richtigen Weg, der mir dann noch zu verstehen gibt, dass es dort steil hinauf ginge. Letztendlich stellt die Straße aber keine besondere Schwierigkeit dar. Ich erreiche den grün schimmernden See an einer Brücke die über einen ins Tal gehenden Flussablauf führt und an einen Schlagbaum. Etwas erhöht und über mehrere Stufen erreichbar sitzt ein Mann in einfacher Militärkluft und hält nicht nur die von hier oben bis zum Schlagbaum führende Leine in der Hand, sondern auch die Hoheit über eine Erlaubnis zum Befahren der weiteren Strecke im ausgewiesenen Naturschutzgebiet. Aus meinem Pass heraus werden meine Personalien in ein Buch eingetragen und dann bezahle ich 24,36 Somoni, für die ich eine Quittung bekomme.
Der See liegt landschaftlich sehr schön und eingerahmt von hochaufragenden Bergen. Wenig grün säumt sein Ufer. Sowohl an der Zufahrt als auch am gegenüberliegenden Zulauf stehen allerdings Bäume an kleinen Strandbereichen, die jedoch von Pensionen eingezäunt worden sind, ansonsten sind die Ufer steil und kahl. Die in die Felswand gehauene Straße führt in die Berge. Geräuschvoll donnern gelegentlich Muldenkipper die Straße entlang. Auch wenn wildcampen eine gute Option gewesen wäre, meinem Rücken zuliebe übernachte ich aber in einer der wenigen einfachen Pensionen am Weg. Ich möchte ihn schonen für das, was ich noch vorhabe.
Ich möchte den Pamir fahren.
Ich verlasse den Iskanderkul See nach einem mehr als spärlichen Frühstück in meiner sehr einfachen Pension, auf Komfort muss man manchmal eben verzichten, zum Beispiel auf frisches Brot oder ein Waschbecken im Bad, und mache mich auf den Weg nach Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan.
In Duschanbe werde ich meine Registrierung bei den Behörden durchführen, die innerhalb von 10 Tagen zu erfolgen hat, wenn man wie ich ohne Visum eingereist ist. Bei einer Aufenthaltsdauer bis zu 30 Tagen ist das seit 2022 für Deutsche möglich. Ist man mit einem eVisum eingereist, ist eine Registrierung nicht erforderlich. Für den Pamir benötige ich jedoch auch noch ein GBAO Permit, eine Sondergenehmigung. Beides, Registrierung und GBAO kann ich in Duschanbe erledigen.
Wieder auf der Hauptstraße geht es weiter auf gut asphaltierter Straße durchs Gebirge. Kurvenreich schlängelt sich die Straße die Berge hinauf. Dann wieder ein mehrere Kilometer langer Tunnel. Die spärliche Deckenbeleuchtung kann kaum die Fahrbahn beleuchten, Abgase vernebeln mir manchmal die Sicht, als sähe ich durch eine staubige Brille. Es gibt erneut keine reflektierenden Seiten oder Fahrbahnmarkierungen, dafür aber eine kaum erkennbare Abwasserrinne am Rand und mehr Verkehr. Ich schalte die Warnblinkanlage ein und mit max. 40 km arbeite ich mich vorwärts. Ein beklemmendes Gefühl beschleicht mich. Gelegentlich werde ich überholt und Entgegenkommende überholen und manch einer der mir entgegenkommt meint mich auch noch mit der Lichthupe grüßen zu müssen. Nach mehr als 5 Kilometern ist der Spuk vorbei und kann ich wieder frische Luft atmen.
Ich lese dann im Internet, dass es sich um den 2015 gebauten, 5 Kilometer langen Anzob Tunnel handelte. Der Tunnel wurde seinerzeit als der gefährlichste Tunnel der Welt und bei Einheimischen als der "Tunnel der Angst" oder "Tunnel des Todes" bezeichnet, weil Menschen bei Staus an Kohlenmonoxyd-Vergiftung gestorben seien. Es scheint, als habe man nur die, mit damals tiefen und mit Wasser gefüllten Schlaglöchern übersäte Fahrbahn ausgebessert und eine eher diffuse Beleuchtung angebracht.
Überhaupt ist der Verkehr in Tadschikistan wieder eine Nummer rauer geworden. Da werden Kurven geschnitten, mit wenig Seitenabstand überholt und hat der Überholende offenbar immer Vorrang, wird zumindest billigend in Kauf genommen, dass die anderen schon ausweichen werden. Wenn es nötig erscheint, wird der Gegenverkehr vom bevorstehenden Überholvorgang auch schon mal durch die Lichthupe in Kenntnis gesetzt. Wer dann stur auf seiner Spur bleibt hat schnell das Nachsehen. Ausweichen wo es geht wird hier scheinbar vorausgesetzt. Das versteht man offenbar in Tadschikistan unter gegenseitiger Rücksichtnahme.
Es folgen noch ein paar weitere kurze Tunnel und nach einer mitunter anstrengenden Fahrt raus aus den Bergen, erreiche ich Duschanbe.
Die Stadt erschlägt mich schon von weitem mit Hochhäusern im Rohbau und auch weiter in der Innenstadt mit 15 Stockwerken und mehr. Die dritte Reihe der älteren und einfachen Häuserbauten wird bereits in Angriff genommen und mein Hotel, eine ältere Villa, erscheint mir ein wenig wie die St. Paul's Chapelle in Manhattan (New York City).
Die Registrierung und das Besorgen des GBAO gestalten sich, um es vorsichtig auszudrücken, etwas schwierig. Für die Registrierung benötige ich eine Bescheinigung vom Hotel das ich dort übernachte. Ich müsse bis 12 Uhr warten, dann käme jemand von der Administration und könne eine Bescheinigung ausstellen. Es wird 13 Uhr und nachdem ich mit aller Deutlichkeit klar stelle, dass andere Hotels, zb das Green House Hostel ein paar Straßen weiter, das besser könnten, wird ein Taxi bestellt, fahre ich mit einem Verantwortlichen, vielleicht sogar dem Besitzer, erst zu einem Haus um dort Unterlagen abzuholen und dann zur Registration. 20 Minuten später weiß ich, dass ich am nächsten Tag meinen Pass wieder abholen könne. Also noch eine Nacht. Es ist bereits früher Nachmittag. Eine Tour in die Gegend zu machen lohnt nicht mehr. Ich ergebe mich weil ich es nicht ändern kann.
Ich hörte davon, dass Manche nach kurzer Wartezeit alles erledigt hätten.
Bei den Taxipreisen gönne ich mir eine Fahrt und schone, zumindest vorübergehend mein Knie.
Duschanbe, da teile ich die Meinung anderer, ist keine besonders aufregende Stadt mit touristischen Highlights.
Außer vielleicht mit breiten Alleen in denen kleine neoklassizistische Häuser stehen. Ansonsten protzt Duschanbe in meinen Augen mit imperialistischem Größenwahn. Alles ist hier groß und palastartig. Breite Alleen, große parkähnliche Gärten, unzählige Springbrunnen und Statuen, eine Moschee für 150000 Gläubige und dem größten Teehaus der Welt. Und so verwundert es mich nicht, dass gerade hier auch der 2011 errichtete 165 m hohe und damit der damals größte Flaggenmast der Welt steht. Mittlerweile befindet er sich allerdings nur noch auf dem dritten Platz. Und das obwohl Tadschikistan als die ärmste aller ehemaligen Sowjetrepubliken gelten soll, weder Öl noch Gas Vorkommen und eine kaum funktionierende Industrie besitzt und 2017 jeder fünfte Tadschike mit einem Euro pro Tag leben musste.
Der Kontrast könnte jetzt vielleicht nicht krasser ausfallen, aber ich gehe dennoch essen. Schickes Restaurant. Neben georgischer, russischer und tadschikischer Küche darf ein wenig dolce vita auch nicht fehlen. Etwas teurer als gestern, als ich in einem Restaurant aß, das nicht von einem betrieben wird, der mit einem Golden Löffel im Mund zur Welt kam. Nachdem mir gezeigt wird wie groß die Portionen ausfallen entscheide ich mich allerdings für meine Lieblings Pizza. Meeresfrüchte. Wenn ich zwei Pizzen bestelle, dann erhalte ich die preiswertere umsonst, erklärt mir der Kellner. Kann vielleicht nicht schaden. Meine Motorradjacke hat den Kontakt zu meinem Körper nämlich schon ein wenig verloren. Der Boden schön dünn und knusprig, im Grunde kein großer Magenfüller. Die Zweite esse ich gleich hier. Ein paar Ecken weiter dann wieder der totale Kontrast zu den Hochhäusern auf der anderen Straßenseite. Hier kaufen in kleinen Geschäften die Menschen ein, die sich eine Wohnung in den Hochhäusern gegenüber nie werden leisten können, die teilweise in Baracken oder sehr ärmlichen Häusern wenige Meter weiter wohnen, eben die andere Seite, auch von Duschanbe. Und mein einfaches Restaurant für den morgigen Abend habe ich dort auch schon gefunden.
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