Abenteuerlich
Beim Buchen des Hotels, das wir in der Dämmerung am Abend erreichen, hilft ein freundlicher, englischsprechender Beamter der Jandarma. Aber der Reihe nach.
Nachdem wir uns von Peter getrennt haben fahren wir überwiegend auf Schotter Richtung Ceylanpinar. Das Navi weist die Strecke als "gelbe" Straße aus, was sie schon mal nicht ist und trägt auch einen Namen und nicht wie so oft nur eine Nummer. Die Grenze zu Syrien verläuft leicht schräg auf das etwa 30 Kilometer entfernte Ceylonpinar zu, ein Grenzzaun wie tags zuvor ist nirgends zu sehen, einem eingezäunten Gelände schenken wir keine weitere Bedeutung, wähnen es als Flüchtlingscamp. Danach ist die Straße zweimal durch kleinere Quergräben und aus der ausgehobenen Erde aufgeschütteten kleineren Wälle nicht passierbar, weist eine Fahrspur auf eine Umfahrungsmöglichkeit hin, handelt es sich, wie bereits öfter gesehen offenbar um Gräben für Bewässerungsrohre für die Landwirtschaft. Beim dritten Wall entschließen wir uns umzudrehen und den nahen Abzweig zur Hauptstraße zu nehmen.
Wenig später kommt uns ein gepanzertes Militärfahrzeug Typ Cobra entgegen und stoppt uns. Wir erklären uns und man zeigt sich bereit uns bis zur Hauptstraße den Weg zu weisen und fährt voraus, aber dann gibt es offenbar ein Problem. WIR sind das Problem, denn die Kameras am vermeintlichen Flüchtlingscamp hatten uns aufgezeichnet und als verdächtige Personen in grenznahem Kriegsgebiet identifiziert. Der Gang der Bürokratie nimmt seinen Lauf. Wir werden befragt woher wir kämen, ob wir verheiratet seien, was wir hier wollten, wohin wir wollen. Werden fotografiert. Allein und mit unseren Motorrädern. Es wird viel telefoniert aber es passiert vorerst nicht viel. Kompetenzfragen? Unschlüssigkeit? Ein Kommandeur erscheint, eigentlich der einzige unfreundlich erscheinende Mensch in dieser Runde. Erneutes telefonieren, besprechen, abwarten. Mit der Übersetzungs-App erfahren wir wenigstens, dass wir uns unerlaubt in militärischen Gebiete aufgehalten hätten und man nunmehr unter anderen mit einer Gesichtserkennung nachsehen werde ob wir Terroristen seinen.
Dann kommt Bewegung ins Ganze. Unsere Motorräder müssen vor Ort bleiben, werden aber wie sich später herausstellen wird nicht als Tatwerkzeug oder Beweismittel, sondern aus Diebstahlsgründen durch das gepanzerte Militärfahrzeug gesichert.
Mit einem zivilen Kleinbus werden wir ins Krankenhaus von Ceylonpinar gefahren. Man wolle sicherstellen, dass wir nicht verletzt worden sind, werden aber nicht weiter untersucht, weil man ganz offenbar aufgrund unserer bis dahin wiedererlangten, teilweise auch etwas erzwungenen Lässigkeit erkennt, dass wir unverletzt sind. Militär und Krankenhauspersonal scheinen ihren Spaß zu haben und schnell stellen sich über Motorradmarken und dergleichen lockere Gespräche ein. Am nahen Imbiss gibt man uns die Möglichkeit einzukaufen. Vor der Weiterfahrt steigt ein junger Mann ein, offenbar festgenommen, dann werden wir gemeinsam aufs hermetisch abgeriegelte Militärgelände gefahren. Erneut Fragen nach dem Wieso Weshalb Warum. Fragen zum Namen der Eltern, Anzahl meiner Kinder, meines Schulbildung und meiner Handy ID lehne ich ab. Man beäugt mich argwöhnisch, da ich aber zuvor bereits durchblicken ließ bei der Polizei gewesen zu sein, lässt man es offenbar gelten.
Danach Überstellung ins Gebäude der Jandarma auf der anderen Straßenseite. Vier Soldaten bergleiten uns. Es müssen nur noch wenige Fragen beantwortet werden und dann würde man uns entlassen. Wie lange es dauern werde unsere Frage. "10 Minuten" die Antwort, mittlerweile ein Running Gag, eine Antwort, die wir bereits öfter erhalten hatten. Man bietet uns einen Cay an, den wir gerne annehmen. Es entsteht der Eindruck, dass sie auch nur ihren Job machen und alles seine Zeit brauche. Türkische Gründlichkeit vermutlich. Manch Jüngerer unter den Anwesenden hat mittlerweile so etwas wie Mitleid mit uns und ein Bedauern im Gesicht. Wir müssen warten, bis die Befragung des zuvor inhaftierten Mitfahrers abgeschlossen ist, dann nur noch ein paar Fragen und in 10 Minuten werden wir zu unseren Motorrädern gebracht. 2 Stunden später ist es dann soweit. Allgemeines Lachen, bei dem einen oder anderen, sich längst bei den Liebsten im Feierabend sehend, auch ein befreiendes Lächeln, 7 Stunden nach dem man uns gestoppt hatte.
Wir seien die ersten Touristen und der erste Fall dieser Art, sonst seien es überwiegend Syrer, erklärt man uns zum Abschied und so habe man sich unter anderem erst vergewissern müssen das richtige zu tun. Schwierigkeiten an der Grenze, auch bei der Wiedereinreise hätten wir nicht zu erwarten.
Zurück bleibt die Erfahrung auch mal auf der "Anderen Seite" gestanden zu haben und trotz des eigenen Missmuts über die Gesamtsituation verbunden mit der langen Wartezeit bleibt ein positiver Eindruck von Fairness und uns entgegen gebrachter Freundlichkeit hängen. Ein Abenteuer, das man nicht braucht, das aber auch irgendwie das Salz in der Suppe einer solchen Reise sein kann. Den nächsten Grenzbereich werden wir, werde ich hier in der Türkei erstmal meiden, denn auf das scherzhafte "May be we will see us tomorow" entgegnet der einzig unfreundlich erscheinende Kommandant mit einem Augenzwinkern, dass wir dann ins Gefängnis kämen.
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