Mein erstes Mal
Die WetterApp sagt für übermorgen Regen voraus. Bis zum "Dark Canyon" am Euphrat gibt es keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten und da die Straße am Canyon eine Schotterpiste sein soll, ist heute der Tag an dem Kilometer gemacht werden.
Nach etwa 470 km Richtung Osten liegt der Euphrat vor uns und der erste von etlichen Tunneln, weshalb die Strecke auch Dark Canyon genannt wird. Auf 8 km Länge vereinzelt Blicke auf den unten fließenden Euphrat zwischen den jeweils grob in den Felsen getriebene Tunnel. Nach kurzem Fotostop kommt das Vorderrad auf etwas abschüssiger Straße im Schotterbett ins rutschen. Hätte vielleicht nur loslassen sollen. Hätte. So versuche ich leicht zu bremsen, die Maschine kippt gegen die Felswand und das Windschild zerbricht. Sonst bleibt alles heil. Gut, dass es nicht zur anderen Seite war. Pkw breite Straße ohne Leitplanke und gefühlt 100 Meter steil nach unten.
Nachlager wird ein Campingplatz direkt an einem plätschernden Bach.
Katzenwäsche und schnelles Frühstück. Das Regenradar verheißt nichts Gutes. Eine halbe Stunde später dann 3 Stunden Regenfahrt.
In einem günstigen Hotel mitten in Adiyaman wird die Kombi gegen trockene Sachen gewechselt und sich anschließend ins kleinstädtische Getümmel geworfen. Eine kleine quirlige Stadt, in der sich wieder westlicher und östlicher Eindruck vermischt, in der wir immer wieder beäugt werden, war schon unser Eintreffen vor dem Hotel für manche ein stehen bleiben wert. Als ein gewaltiges Gewitter über der Stadt sämtliche Wasserschleusen zu öffnen scheint, was sogar dem türkischen Fernsehen einen Bericht wert ist, sitzen wir trocken beim Abendessen im Restaurant. Alles richtig gemacht. Wer wollte jetzt auch auf einem Campingplatz sein.
Bei strahlend blauem Himmel geht es zum 2150 Meter hohen, zum Taurus Gebirge gehörenden Nemrut Dag. Die besondere Form seiner Spitze, einem etwas breiter wirkenden Zuckerhut ähnlich und komplett aus Geröll bestehend, als hätte man dort Steinschutt angehäuft, machte ihn vielleicht zu etwas besonderem. Es sollte das Zentrum einer neuen Religion werden und so ließ König Antiochos (69-36 v. Chr.) einen Tempel und seine Grabstätte dort errichten. Die einzigartige Lage mit grandioser Weit- und Rundumsicht über den Taurus und die Überreste der damaligen Stätte sind den Weg wert. Mit laut App ca. 70 km/h böigem Seitenwind geht es auf einer steilen Kammstraße das letzte Stück bis zu einem kleinen Parkplatz und von dort noch etwa 600 m zu Fuß steil bergauf. In Motorradmontur eine kleine etwas anstrengende sportliche Einlage.
Auf der Weiterfahrt, wie bereits seit der Abfahrt in Kappadokien fällt auf, dass die Polizeikontrollstellen zunehmen und sie zudem immer mehr durch schweres Gerät gesichert sind. Die Sicherung des Flughafens nördlich von Sanliurfa erinnert etwa an die damaligen Grenzanlagen der DDR. Zweireihiger Stacheldrahtzaun, dazwischen befahrbar gemachter Boden mit Straßenlaternen und etwa alle 200 ein kleiner Wachturm. Offenbar hat man Angst vor möglichen, vielleicht sogar kurdischen Angriffen. Als wir die Stadt Gencer durchfahren sehe ich zum ersten mal in der Türkei Männer, vorwiegend schon älter, mit Kopftüchern, manche mit so genannten Palästinenser-Tüchern.
Es wird schon dunkel, als wir die Zelte ein paar Kilometer außerhalb der Stadt Sanliurfa, nahe Göbelki Tepe, unserem morgigen Zwischenziel, an Rand eines kleinen Pinienwaldes aufbauen. Der App "iOverlander" sei Dank. Nun ist mir Camping, außer mit Wohnmobil, in seinen sonstigen verschiedenen Formen nicht unbekannt, hatte ich für den Fall, dass ich mal kein Hotel oder keine Pension finden sollte, in 2020 bereits ein Zelt dabei, war es heute aber das erste Mal, dass ich wild campte. Lässt man Dusche und Stehklo weg, dann war es jedoch auch nicht viel anders als auf den vorherigen Campingplätzen. Wieder einmal ein kleines Stück mehr aus der Komfortzone herausgekommen.
Es sind nur wenige 100 Meter bis Göbekli Tepe und die Annahme 9 Uhr Abfahrt sollte reichen um vor den ersten Bussen dort zu sein, ist so falsch eigentlich nicht, stehen zwar schon 4 Busse auf dem Parkplatz, kommen aber kurz nach uns noch einige dazu. Also schnell Tickets kaufen und los. Ein shuttle bringt uns nach oben. Der überdachte Tempel, der etwa 12000 Jahre alt sein soll, als der älteste Tempel der Menschheitsgeschichte gilt und nach heutiger, aber nicht ungeteilter Auffassung der Ursprung menschlicher Zivilisation sein könnte, ist auf einem erhöht errichteten Rundweg schnell umrundet. Etwas weiter oben ein Baum um den sich Frauen unterschiedlichsten Alters scharren. Ein Reiseführer erklärt auf Nachfrage, dass es sich um einen Fruchtbarkeitsbaum handele. Im Internet lese ich dann, dass es ein Maulbeerbaum sei, an dem, verbunden mit einem Wunsch oder Gelübde, Stofffetzen gebunden werden. Ein aus vorislamischer Zeit stammender, in der Türkei weit verbreiteter Brauch. Vereinzelt sprechen uns immer wieder von dort mit uns herunterkommende Frauen an, weil sie uns offenbar an unserer Sprache erkannt hatten. Es stellt sich heraus, dass sich um eine 40 köpfige alevitische Frauengruppe aus Deutschland auf Muttertagstour handelt.
Heike muss aufgrund eines kurzfristigen Termins von Gaziantep nach Deutschland fliegen. Da ihr Motorrad in ihrem Pass eingetragen ist, muss sie zuvor beim Zoll ein Formular ausfüllen, damit sie bei der Ausreise keine Schwierigkeiten bekommt, da das Motorrad in der Türkei bleiben wird. Der etwas Süßholz reibende Zollbeamte war sehr hilfreich und so ist diese Formalität schnell erledigt.
Peter und ich verbringen die nächsten 3 Nächte in Gaziantep. Motorrad einfach mal stehen lassen und etwas abhängen. Viele interessante Sehenswürdigkeiten hat die relativ große Stadt nicht zu bieten und so pflegen wir unsere Emails und Blogs und lassen uns einfach mal treiben.
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