Istanbul

Tag 172+173 - Türkei: Bereits in Edirne habe ich ein Hotelzimmer für Istanbul gebucht. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Hagia Sofia und anderen Sehenswürdigkeiten, außerdem ist es mit 58 € für 2 Nächte inklusive Frühstück relativ preiswert.


Laut Navi soll ich für die 250 km drei Stunden benötigen. Es werden fünf. Neben einem Tankstopp und einer Polizeikontrolle, die wohl ausschließlich dem Zweck diente nach meinem Namen zu fragen, denn anschließend hieß es, es sei alles in Ordnung, dauerten vor allem die letzten 1000 Meter ihre Zeit, weil ich unmittelbar in die Abwanderung der Gläubigen nach dem Freitagsgebet komme.


Als mein Navi mir sagt, dass es noch 70 km bis zum Hotel seien, ich mich aber schon mitten in der 15 Millionen Metropole befinde, hatte ich auf der vollen 3-spurigen Straße weniger Probleme, als in den enger werdenden Straßen der Altstadt. Da die Hagia Sofia vor kurzem zur Moschee erklärt wurde, liegt sie scheinbar hoch im Trend. Überall Polizei, Absperrgitter und immer noch Menschenmassen und es ist bereits 14.30 Uhr. Es gibt fast kein Durchkommen.
Ein Rollerfahrer vor mir zeigt mir dann wie es geht und wir fahren kreuz und quer durch kleinste Gassen in denen Händler noch ihre Stände abbauen oder Passanten mit vollen Tüten laufen. Dann komme ich wieder auf den Gleiskörper auf den mich mein Navi vorher schon schicken wollte. Nun bin ich nur noch wenige hundert Meter von meinem Hotel entfernt, laut Navi 2 Minuten. Leider sorgt ein Polizist dafür, dass der Verkehr durch eine Nebenstraße abgeleitet wird, somit werden es mehr als 20 Minuten. Irgendwann ist es aber geschafft. Fast.


Da wo ich laut Navi durchfahren soll geht es nicht und viel weiter komme ich auch nicht. Ich befrage also mein Navi nach Alternativen, als ein Mann an mich herantritt und mir seine Hilfe anbietet. Kurze Zeit später folge ich ihm hinter seinem Roller, nicht ohne ihm vorher den Hinweis gegeben zu haben, dass mein Moped nicht ganz so wendig sei. Das wisse er, er fahre eine größere Honda.
Nach einigen Zickzacks stehen wir vor meinem Ziel. Ich bedanke mich und er meint, „you`re welcome“, ihm gehöre das Hotel vor dem ich stand und es habe auch ein Restaurant. Dann winkt er nur noch kurz und ist schon wieder verschwunden. 

Das kleine 4-stöckige Hotel vor dem ich stehe macht einen gepflegten Eindruck. Schnell sind die Formalitäten geklärt und der Mitarbeiter zeigt mir mein Zimmer. 4. Etage ganz oben und nur ein weiteres Zimmer auf dieser Etage. Der Hammer ist der Blick über das Meer zur asiatischen Seite von Istanbul. Ich höre das Tuckern der vorbeifahren Tanker, Schlepper und sonstigen Boote und Schiffe. Etwa 3 Häuserreihen vor und etwas unter mir sehe ich Fahrzeuge auf der Küstenstraße entlangfahren, die im Grunde dort die Grenze von Europa darstellt. Nur noch abladen und duschen und dann bin ich auch schon wieder auf dem Weg nach unten, bereit für das Istanbuler Leben. Der freundliche Mitarbeiter aus dem Hotel erklärt mir noch kurz wo ich wie am Schnellsten hinkomme und wie ich ein Ticket für die Tram bekommen kann und los geht’s.

Mit der Lage des Hotels habe ich einen Volltreffer gelandet. Keine 10 Minuten und ich stehe vor der „Blauen Moschee“. Bevor ich aber weiterkomme muss ich meine Arme heben und werde abgeklopft. Der Platz um die „Blaue Moschee“ und die Hagia Sofia ist großzügig abgesperrt. Überall stehen Polizisten und Mitarbeiter vom Roten Halbmond. Militär ist ebenfalls vertreten und an den Durchlass- bzw. Kontrollstellen steht entweder ein Wasserwerfer oder ein anderes gepanzerte Fahrzeug. Nachdem auch meine Gopro als solche identifiziert ist und ich auf strammen Befehl meine Maske aufgesetzt habe darf ich passieren. Aber ich komme weder in die eine noch in die andere Moschee, denn es ist mal wieder Beten angesagt "for prayers only" steht in großen Lettern am Eingang. Und dann erlebe ich einen "Ohrenschmaus" der ganz besonderen Art. Eigentlich stehe ich nicht schlecht, aus Sicht eines HiFi oder Stereo Freaks müsste ich normaler Weise etwas mehr Abstand haben aber trotzdem ungefähr mittig zwischen beiden Moscheen, in der Nähe eines großen Springbrunnens, umgeben von einem parkähnlichen Gelände. Einen größeren Abstand einzunehmen dafür habe ich keine Zeit mehr, denn schon ertönt es erst aus der Hagia Sofia und dann von der blauen Moschee und geht im Wechsel so weiter.

"Blaue Moschee"

Mir als Westeuropäer ist der Klang der osmanischen, slawischen oder osteuropäischen Gesangsstimmen fremd. Erst gestern habe ich den Fernseher nach kurzer Zeit wieder ausgemacht, weil auf fast jedem Sender entsprechende Folklore gesendet wurde. Natürlich weiß ich nicht, was da gesungen wird, aber das weiß ich bei einer Oper z. B. von Verdi auch nur durch die Einspielungen im Laufband oberhalb der Bühne oder ich kann italienisch, bin ein Opernfan oder habe das im Repertoire. Aber mir fällt sowieso gerade kein Beispiel für eine Oper ein, in der sich zwei Tenöre in einem gesanglichen Schlagabtausch gegenüberstehen, hier allerdings für meine Ohren mit sehr schlechten Sängern.

Einer der "Tenöre"Unterwegs zum angrenzenden Basar werde ich freundlich auf Gewürze die man dort anbiete aufmerksam gemacht und ob man mich nicht dorthin begleiten dürfe. Nein, darf man nicht.
Ich kaufe mir ein Ticket und steige die Treppen zur Basilika-Zisterne hinunter. Stimmungsvolle Musik und diffuses Licht in einer riesigen unterirdischen Halle mit unzähligen Säulen die zu einem kleinen Teil aufgrund von Bauarbeiten abgehängt ist (lt. Wikipedia 336 Säulen in 12 Reihen zu je 28 Säulen, je 9 Meter hoch) Ansonsten fehlt eigentlich nur das Wasser und ein paar schwimmende Lichter darauf. Der Boden ist feucht und an den Säulenfundamenten stehen kleine Strahler. Das muss reichen und es reicht auch. Nein, das meine ich nicht negativ, denn wenn nicht gerade eine größere Gruppe von jungen Menschen ohne Sinn für Respekt und Muße in der Nähe wären, könnte man sich fast ein wenig entspannen.


Wieder am Tageslicht angekommen möchte ich noch den Topkapi Palast besichtigen. Ich möge morgen wiederkommen wird mir so oder so ähnlich gesagt. Auf jeden Fall ist schon geschlossen. Na dann noch den "großen Basar" ist ja nicht weit weg. Da werden aber auch schon die Rollläden runter gelassen und ich frage mich, was besser ist, denn immer zu früh zu kommen ist auch nicht doll. 

Okay, man muss auch nicht alles gleich am ersten Tag machen. Hab ja morgen noch. Ich glaube, ich sollte mich frühzeitig auf den Weg machen, es könnte ein harter Tag werden.

Auf dem Rückweg komme ich nochmals an der Blauen Moschee vorbei und habe Glück. Obwohl sich auf dem Gelände um beide Moscheen herum fliegende Händler breitmachen, immer mehr Menschen auf den Platz strömen, Palettenweise Wasserflaschen am Wegesrand stehen und die neueste Druckform des Korans verteilt wird, von der ich mir eine mitnehme, aber dann doch als Nichtmoslem erkannt werde, und sich derweil wieder Schlangen vor der Hagia Sofia bilden, komme ich ziemlich unbehelligt in die Blaue Moschee.

Ich ziehe meine Schuhe aus, stecke sie in eine Plastiktüte, die am Eingang auf einer Rolle abzureißen ist wie im Discounter an der Obst- und Gemüsetheke und dann gehe ich hinein. Der Innenraum ist quer mit einer etwa brusthohen Stellwand abgeteilt. Schilder machen darauf aufmerksam, dass hier für Touristen die Grenze sei. Im vorderen Bereich sehe ich ein paar wenige Gläubige, ein Polizist läuft auf und ab und passt auf, dass alle Regeln eingehalten werden, einen Touristen weist er in barschem Ton zurecht. Da die Moschee zum Teil eine Baustelle ist, was man von außen durch Bauzäune und Gerüste schon deutliche erkennen kann, ist auch der Innenraum teilweise mit Planen abgehängt. Bis auf die vier unglaublich dicken Säulen die offenbar das Kuppeldach tragen und die, soweit zu erkennen, enorme Größe, finde ich ansonsten an dieser Moschee nichts Besonderes, was andere Moscheen auch ausmacht: Teppiche am Boden und Mosaike an Wänden und Gewölbe bzw. Kuppeln.Ich gehe zu meinem Hotel zurück und bin im angrenzenden kleinen Restaurant der einzige Gast.Blick aus meinem Hotelfenster

Ich werde wach, nein, nicht vom Gesang eines Muezzin und höre das dumpfe Dröhnen und Donnern eines Schiffsdiesels, von einem Tanker oder einem anderen größeren Schiff, das nur wenige hundert Meter entfernt den Bosporus passiert. Es wird doch etwas später, denn erst einmal muss die "Büroarbeit" erledigt und müssen heimatliche Kontakte gepflegt werden. Wenn ich das Hotel verlassen habe, habe ich nämlich kein Internet mehr.

Der Topkapi Palast soll mein erstes Ziel werden, aber die kleine Schlange von offensichtlichen Besuchern vor der Hagia Sofia ändert den Plan. Schon auf den ersten Metern bietet sich mir ein Bild, dass ich so nicht erwartet hätte. Ich bin nicht mal annähernd ein Kunstexperte bzw Kenner und deshalb verliere ich mich auch nicht in irgendwelchen Beschreibungen, die man im Internet besser nachlesen kann. Hatte ich noch von der Blauen Moschee gesprochen als sei sie genau wie alle anderen nur größer, so ist diese Moschee, die sie nun mal geworden ist und ja auch schon mal war, unglaublich majestätisch. Christliche Bilder sind abgehängt, wenngleich vereinzelt noch Kreuze in den Intarsien an den oberen Wänden zu sehen sind. Dass fällt auch den muslemischen Besuchern um mich herum auf, denn sie zeigen explizit auf die Kreuze. 

Danach gehe ich in den Topkapi Palast. Eine riesige Anlage mit tollen Blicken auf den Bosporus. Das Fotografieren in den Gebäuden ist größtenteils verboten, deshalb gibt es nur wenige Innenaufnahmen.

Eingangstorein paar von insgesamt 18 Schornsteinen des Küchentraktes

Bestimmt mehr als 1001 x fotografiert - der Bosporus vom Topkapi-Palast aus gesehen

Dann wird es spannend. Ich komme zur Haltestelle und stelle mich zu den beiden Fahrkartenautomaten. Am linken versucht ein junger Mann sein Glück, am rechten kommt ein Pärchen auch nicht weiter, obwohl alle es dem Aussehen nach wissen könnten. Der junge Mann fragt auf Englisch nach links und bekommt scheinbar auch keine befriedigende Antwort. Ich aber denke "Nanu!?" und frage den jungen Mann ob er Deutscher sei. Und dann stellt sich heraus, dass das Pärchen aus Essen und der junge Mann aus Hamburg kommt. Da ich bereits Infos aus dem Hotel mitbekommen hatte, haben wir wenig später unsere Fahrkarten.
Ich fahre bis zur Endstation und dann mit der unterirdischen Standseilbahn hoch zum Taksim Platz, wo gerade unter den Augen eines kräftigen Polizeiaufgebotes und einiger Kamerateams die Eröffnung eines Friedensfestes stattfindet. Stilvoller hätte man es nicht gestalten können. Ein Meer aus wehenden Fahnen und mittendrin nicht nur ich, sondern auch das "Denkmal der Republik". Wenige Minuten später kommt die historische Straßenbahn um die Ecke, die aber erstmal eine Pause macht. Ich verzichte auf eine Fahrt mit ihr, da sie in etwa der in Lissabon ähnelt. Ich schlenderte langsam die Straße zurück und runter in Richtung Galata-Brücke und Galata-Turm.

Galata-TurmDie Brücke besteht aus zwei Ebenen. Oben befinden sich die Fahrbahnen und Gehwege für beide Richtungen und eine Etage tiefer die zahlreichen Restaurants. In einem bestelle ich mir ein Zwiebelsteak. Während ich darauf warte, über mir an die 20 wippenden Angelruten, die immer mal wieder einen Fisch aus dem Wasser und an den Gästen in den Restaurants vorbei nach oben ziehen, beobachte ich das Leben rund um die Brücke und den nahen Schiffsanlegern. Dann plötzlich traue ich meinen Augen nicht. Nicht weit von mir entfernt, Mitten im Fahrwasser im Bereich der Brücke tummeln sich drei oder vier Delfine, was ich um so erstaunlicher finde, weil sie sich scheinbar vom regen Schiffsbetrieb überhaupt nicht gestört fühlen. Immer wieder tauchen sie in der "Fahrrinne" auf und verschwinden dann wieder für eine Zeit. Egal, ob Segelboote gerade die Brücke passieren oder zwei Fähren im Gegenverkehr.

Zum Schluss fahre ich selbst mit der Fähre rüber zum asiatischen Teil von Istanbul, trinke dort einen Cay und sitze schon bald wieder auf der Fähre. Es war ein langer Tag und möchte ins Hotel. Ich betrete die Fähre, als mir ein Mann meines Alters zuwinkt und auf einen freien Platz neben sich zeigt. "Social Distance" ist in etwa gewahrt, außerdem tragen alle eine Maske. Überhaupt sehe ich nur ganz wenige, die keine tragen. Auch auf der Straße. Da fand ich den Umgang damit in meinem Lieblingsdiscounter in Bulgarien schon etwas sorgloser.


Ich setze mich neben ihn, zu meiner rechten eine junge Frau, die in ihr Handy lächelt. Nicht lange und der Mann beginnt ein Gespräch. Das ich kein Türkisch und er kein Englisch kann stört ihn nicht und so redet er erstmal weiter. Dann bin ich mir sicher, dass mit ihm etwas nicht stimmen kann, denn er holt zwei Socken aus seiner Tasche und breitet sie in der Sonne auf seinem Oberschenkel aus. Per Handzeichen gibt er mir zu verstehen, dass er sie gewaschen habe. In der dann folgenden Pause schließe ich schnell die Augen und will die Sonne genießen, denn die war heute noch nicht oft zu sehen, hatte es zwischendurch sogar einmal kurz geregnet. In Ermangelung eines Gesprächspartners wendet er sich nun an die junge Frau. Ich öffne die Augen, denn ich fühle mich zwischen ihnen irgendwie im Weg. Wenige Augenblicke später habe ich bis zum Ende der Fährfahrt ein interessantes Gespräch mit der Grundschullehrerin aus Istanbul, die von sich sagt, dass ihr Englisch schlecht sei. Der Mann mit den Socken ist gegangen. 

Nachdem wir alle von Bord gegangen sind schlenderte ich durch die Straßen langsam Richtung Topkapi Palast und damit Richtung Hagia Sofia und meinem Hotel. Ich sehe einen kleinen Fotoladen und weil ich vor einiger Zeit die Schutzkappe meiner Kamera verloren hatte hoffe ich auf Ersatz. Besser noch, im Laden bekomme ich auch eine neue Halterung für meine Gopro. Ich bezahle, packe die Teile in meinen Rucksack und wende mich dem nahen Eingang zu. In diesem Augenblick kommt durch die offene Tür, was kann Istanbul doch klein sein, meine Begegnung von der Fähre. 

Nein, nicht die Lehrerin, sondern der Mann mit den Socken. Kurzes Hallo und haha und dann nix wie raus, trinke unterwegs an einer belebten Straße noch zwei Cay, amüsiere mich über einen Hund, der dort so etwas wie der Platzhirsch zu sein scheint, hat auch eine Marke am Ohr, und sogar die vorbeifahrende Feuerwehr verbellt. Ich gehe schließlich noch einmal über den Platz zwischen Hagia Sofia und "Blauer Moschee um "Tschüss" zu sagen, was nicht ungehört bleibt, denn augenblicklich beginnt erneut der Sängerwettstreit vom Abend zuvor, woraufhin ich das Weite suche.
Noch ein Absackerbier nebenan und dann Füße hoch.
Es wurde ein harter, aber wieder auch einmal ein unbeschreiblicher, unvergesslicher und überraschender Tag. Istanbul kann man ansonsten nicht mit Worten beschreiben, ich zumindest nicht, Istanbul muss man erleben. Es war in jeder Phase die richtige Entscheidung nicht nach Burgas, sondern nach Istanbul abzubiegen. Burgas kommt noch.

Fahren was gut ist

Füttern eines Säuglings zwischen Müllsäcken und ContainernDas Friedensfest - zum Nachlesen

Für die Statistik:

1 Euro ca. 8,50 Lira , 100 Lira ca. 12 Euro

1 Liter Normalbenzin ca. 75 Cent

Tags: Türkei