Innerer Kampf

Südfrankreich: Eigentlich wollte ich nichts mehr über Südfrankreich schreiben, denn in Nizza und Monaco war ich schon und wollte dort auch deshalb nicht soviel Zeit verbringen, als dass man etwas hätte schreiben können. Eigentlich.

Stürmisch und bedeckt ist es als ich erst gegen 11 Uhr loskomme. Etwa 200 km durch die französischen See-Alpen liegen vor mir. Nachdem ich eine dringend benötigte Tankstelle gefunden habe kann ich mich entspannt auf den Weg machen. Entlang am türkis- und smaragdfarben schimmernden Stausee Lac du Croix, geht es nochmals durch fast entereife Lavendelfelder. 

Mir ist wärmstens ans Herz gelegt worden die Route des Cretes zu fahren, die einer Schleife des Verdon folgt, dem Canyon du Verdon. Mehrere 100 Meter tief verläuft der Verdon in seinem in den Fels geschnittenen Flussbett und ist damit einer der beeindruckendsten Canyon in ganz Europa. In La Palud-sur-Verdon biege ich ab und folge dem Hinweisschild. Die Straße verläuft überwiegend zwischen 800 und 1100 Meter Höhe und meistens unmittelbar an der steil abfallenden Felskante. An einzelnen Aussichtspunkten verschlägt es einem den Atem, wenn man sich der mehre hundert Meter abfallende Kante nähert. Der zeitweise sehr böige Wind lässt den Puls zusätzlich schneller schlagen, denn jede Böe erscheint wie ein überraschendes geschubst werden durch den Nachbarn. Der Wind macht auch das Motorradfahren nicht gerade einfach und  so schleiche ich um jede Kurve um gewappnet zu sein für einen neuen Windstoß. 

Während ich von einem der Aussichtspunkte in die Schlucht schaue sehe ich einen Raubvogel wie er, schwer zu schätzen, bestimmt 100 Meter unter mir seine Kreise zieht. Nun weiß ich auch warum an einem Aussichtspunkt ein Mann mit Kamera und riesigem Zoomobjektiv stand. Ich habe ein Foto mit meiner actioncam gemacht. Reicht mir, denke ich, werde aber später feststellen, dass ein Zoomobjektiv schon berechtigt gewesen wäre. Reichte nämlich nicht. Am Ende hatte sich der Abstecher, für die Runde brauchte ich etwa 30 Minuten, manche sicher mehr, absolut gelohnt.

Irgendwann zeigt mir ein Hinweisschild, dass ich in der Provinz der See-Alpen angekommen sei. Eine größere Gruppe von Kurven verliebten, drängelnden Bikern lasse ich an geeigneter Stelle überholen um sie dann keine 20 Minuten später wiederzutreffen, als sie sich an einer kleinen Brücke über einen tief unter ihr aus den Bergen kommenden rauschenden Gebirgsbach zum Fotoshooting aufstellen. Da ich ebenfalls angehalten habe werde ich auch gleich zum Fotografen und ein kurzes Bikergespräch entsteht. Entgegen meiner anfänglichen Vermutung, handelte es sich fast ausschließlich um Biker und Bikerinnen jenseits der 40.

Ich verlasse nach etlichen Haarnadelkurven langsam die Seealpen und komme dem Mittelmeer und damit Nizza immer näher. Mein Hotel ist schnell gefunden und liegt in einer Fußgängerzone. Das Problem ist nur, dass es keinen Parkplatz gibt. Nachdem ich mein Appartement in der fünften und damit obersten Etage eines älteren, vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammenden Haus bezogen und mein Motorrad 10 Minuten zu Fuß in einer Tiefgarage unterstellen konnte, dusche ich und mache mich auf in die Altstadt.

Ich bin überrascht. Die Altstadt und angrenzenden Straßen wirken wie ein riesiges Kneipenviertel. Dicht an dicht stehen nicht nur die Gäste, sondern auch Tische und Stühle. Das Personal, die Bedienung sind die einzigen die einen Mundschutz tragen. Die Abendluft ist gefüllt mit einem diffusen Stimmengewirr. Das ist mir deutlich zu wuselig und auf der Suche nach einen kleinen Restaurant in den Nebenstraßen finde ich eine kleine Pizzeria mit moderaten Pizzapreisen. Ich kehre ein und bestelle mir eine "Fruit de la Mer" und ein großes Bier. Die Rechnung habe ich dann ganz offenbar ohne den Wirt gemacht. Als ich ihn darauf hinweise, dass ich nur ein und nicht zwei Bier gehabt hätte, erklärt er mir mit einem Fingerzeig zur an der Wand hängenden Preistafel, dass 0,5 Liter Bier zweimal 0,25 Liter seien. Ich verstehe was er meint und zahle für die Pizza 11€ und für das Bier 9€.

Ich habe meine Sachen gepackt und stehe am Kassenautomat der Tiefgarage um mein Ticket zu bezahlen, bin aber mit der ausgewiesenen Tagespauschale in Höhe von 12 € nicht ganz einverstanden. Am Abend zuvor hatte sich die Dame an der Rezeption in der Tiefgarage erkundigt und mir danach mitgeteilt, dass das Parken über Nacht 20 Cent die Stunde kosten solle. Letztendlich zahle ich, da auch die dort hängende Preistafel, wenn auch sehr umfangreich, irritierend und mit nicht sofort zu verstehendem System, den Preis von 12 € nennt. Die Nachtzeit geht von 20 Uhr bis 5.45 Uhr, war noch das Leichteste. Ich erfahre von der Angestellten, dass man den vollen Tagespreis zu zahlen habe, wenn man früher als 20 Uhr oder später als 5.45 Uhr erscheine. Erinnert mich an Autovermieter. 5 Minuten zu spät und man zahlt einen Tag extra. Was soll ich mit einer Angerstellten diskutieren, die womöglich am Abend zuvor überhaupt nicht anwesend war. Die Dame an der Rezeption, die gleiche wie am Abend zuvor, war dann doch etwas überrascht, telefonierte nochmals, kam letztendlich aber zu keinem anderen Ergebnis. 10 € erhielt ich dann vom Hotel zurück. 

Eigentlich hätte es ein guter Tag werden können, aber nur eine Stunde später bin ich einem Abbruch der Tour so nahe wie noch nie. Ich verlasse Nizza mit tiefhängenden Wolken und erreiche Monaco im strömenden Regen, der das Fass im wahrsten Sinn des Wortes zum Überlaufen bringt. Wochenlang nur schlechtes Wetter, okay, es waren auch einige schöne und um Tabernas herum auch heiße Tage dabei, aber ansonsten immer wieder Regen. Das Warten auf das Paket, der Körper, der sich gelegentlich meldet, das gelegentliche Versagen der Technik und sei es nur, dass das Handy nicht funktioniert, weil man mit nassen Fingern oder aufgeweichten Daumen keine Fingerprint Erkennung machen kann, ein vermutlich defektes Lenkkopflager, dass sich bald auch als solches herausstellen wird und dann ist noch Jemand ganz vorn in der Fahrzeugschlange, der dem Unterschied zu einer echten Schlange alle Ehre macht. Ich habe mega schlechte Laune und weiß nicht einmal warum. Ich verzichte auf jegliche Besichtigungen in Monaco, fahre den kürzesten Weg entlang der Küste und bahne mir stoisch den Weg durch die Wassermassen Richtung Italien. Was soll ich auch anderes machen. 

 

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