Wochen verloren - Tage gewonnen

Spanien: Es erscheint wie ein Widerspruch, denn 9 Wochen später als geplant war ich in Spanien angekommen, wäre ich um diese Zeit eigentlich schon irgendwo mitten in Griechenland gewesen.

Ich konnte nach Spanien einreisen, weil ich mir den Status des Heimreisenden zu Nutze machte. Das werde ich auch an der Grenze zu Frankreich so halten. Ob mir Italien allerdings mit dem gleichen Argument die Einreise erlauben wird darf bezweifelt werden. Zum Einen ist auf der Seite des Auswärtigen Amtes für Italien nicht vermerkt, dass es heimreisenden EU-Bürgern gestattet ist Italien als Transitland zu nutzen, im Gegensatz zu Spanien und Frankreich, zum Anderen müsste ich mir vorhalten lassen, dass für mich der kürzeste Weg nicht Richtung Osten sondern Richtung Norden sei. Daher bleibt mir nur der im Raum stehende 15. Juni als Datum für mögliche Grenzöffnungen innerhalb Europas.

Bis dahin sind es noch 4 Wochen und damit habe ich mehr Zeit, als ich für diese Etappe eingeplant hatte. Sollte ich also nicht in eine Kontrolle geraten, sollte ich nicht wegen illegalen Aufenthaltes festgenommen und des Landes verwiesen werden, werde ich die Zeit entsprechend nutzen. Der Aspekt des illegalen Aufenthaltes ist im Übrigen vielleicht gar nicht mal so abwegig, denn mir ist nur unter Auflagen die Einreise nach Spanien gestattet worden. Aber wer wird schon gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Und bis zu meiner möglichen Festnahme werde ich versuchen soviel von Spanien zu sehen wie es geht. Eigentlich waren für Andalusien nur Tage zum Übernachten geplant, Sehenswürdigkeiten, auch ein Abstecher nach Gibraltar, mehr während der Durchreise vorgesehen. Bei einem größeren Zeitfenster sollte es daher auch eine Unterkunft sein, in der man es ein paar Tage aushalten kann. Die fand ich in Prado del Rey, einem kleinen Ort etwa 90 km südöstlich von Sevilla und damit ungefähr auf halbem Weg zu Marbella gelegen. Petra und Karl, ein liebenswertes Paar aus dem Badischen, dass sich vor ein paar Jahren seinen Lebenstraum verwirklichte und sich dort niedergelassen hatte, bieten, fernab vom touristischen Trubel in ihrer umgebauten, über 200 Jahre alten Ölmühle, ein wahres Refugium der Erholung. Nachdem ich an einem Hotel im Ort abgeholt worden war, denn der Weg dorthin sei nicht so einfach zu finden, ging es die letzten paar hundert Meter bergauf über eine Schotterpiste. Vereinzelt wurden Erinnerungen an meinen Unfall in der Ukraine wach, weil aufgrund des starken Regens der Weg hier und da matschig bis schmierig erschien und zudem vereinzelt mit Rinnen vom abfließenden Regenwasser durchzogen war. Mit entsprechender Vorsicht war aber diese vermeintliche Hürde gut geschafft. Was mich erwartete war ein großzügig umgebautes Gebäude in dem man sofort auch hätte einziehen können. Die aus meiner Sicht zentrale Lage sollte mir in den kommenden Tagen ermöglichen in einzelnen Tagestouren mehr von dieser Gegend zu erfahren, als es auf einer Durchreise möglich gewesen wäre. 

Heute morgen verspricht die Wetter-App und ein Blick zum Himmel, dass einem Trip nach Cadiz nichts im Wege steht. Es ist wie mit der Motorradhose. Manchmal sollte man sich nicht zu sehr verlassen. Schon bald zeigen sich immer mehr dunkle Wolken und blauer Himmel wie über der Ölmühle wird zur Mangelware. Ganz im Gegenteil. Es wird zu einer Slalomfahrt. Ich schaffe es bis 15 km vor Cadiz den Regenwolken auszuweichen oder hatte einfach nur Glück und nutze gerade noch rechtzeitig ein Restaurant zur längst fälligen Mittagspause.

Cadiz wirkt an diesem Freitagnachmittag verschlafen. Wenige Menschen sind unterwegs und ich scheine der einzige Tourist zu sein. Mag sein, dass es an der Siesta liegt oder daran, dass die Stadt erst langsam wieder aus dem Lockdown erwacht. Nur wenige Geschäfte haben geöffnet, auf einem kleinen Platz inmitten der Altstadt, eingerahmt von Bäumen an denen blaue Blüten hängen, Jakaranda Bäume, sitze ich mit einer Handvoll Menschen an weit auseinander stehenden Tischen und trinke einen Kaffee. Die Stadt wirkt trist, was sicher auch dem schlechten Wetter geschuldet ist, denn in den wenigen Aufheiterungen die der Himmel heute zu bieten hat, wirken die pastellfarbenen Gebäude gleich viel freundlicher. Ich schlendere durch die Gassen, die Kathedrale, die Festung Santa Catalina und auch die Festung San Sebastian bleiben mir leider verschlossen, und finde durch Zufall einen Frisör in dem offenbar gearbeitet wird. Bevor ich mich aber setzen darf und den längst überfälligen Haarschnitt bekomme, muss ich mir einen Mundschutz angelegen und meine Jacke in einen anschließend zu entsorgenden Plastiksack stecken. Das Personal ist vermummt, als wären sie Mitarbeiter in einem Labor. Ich stelle mir vor, dass Haare schneiden mit Gummihandschuhen auch nicht so ganz einfach ist und hake daher den kleinen Cut bei der abschließenden Bearbeitung der Konturen mit einem Rasiermesser zwischen Gummiband und Mundschutz wohlwollend als Kollateralschaden ab. Den Frisiersalon verlasse ich dann aber mit einem daumennagelgroßen Stück Zellstoff im Gesicht.

Tags: Spanien