Der Abano Pass im Nationalpark Tuschetien

Nachdem ich meine Reise anlässlich der Hochzeit meines Sohnes unterbrochen hatte, bin ich wieder auf dem Weg.

Als der Wecker klingelt ist es selbst im Juli noch dunkel. Hatte ich anfangs mit 90 Minuten ab Eintreffen am Flughafen Düsseldorf gerechnet, änderte ich wegen Gleisbauarbeiten und damit verbundenen möglichen Verspätungen meinen Plan. Es wäre nicht notwendig gewesen, denn ich habe genügend Zeit, obwohl es hinsichtlich der Gefährlichkeit zweier mit je 200 ml Flüssigkeit gefüllter Dosen, die ich in den als Gepäck aufgegebenen Motorradreifen verstaut hatte, einige Diskussionen gab. Zwei Dosen eines Oktan Boosters, da ich mit Benzin rechnen muss, das nur 80 Oktan aufweist. Ziemlich wenig im ersten Moment, was sich dann aber nach Recherche im Internet relativieren könnte, sollte, anders als in Westeuropa nach ROZ, in Usbekistan nach MOZ gemessen werden (Motor bzw. Research Oktanzahl). 80 MOZ entspräche dann 91 ROZ, aber immer noch weniger als unser Normalbenzin. Um ein "Klopfen" des Motors zu vermeiden, kann es also nicht schaden ein Additiv dabei zu haben. Letztendlich können die beiden Dosen mit. Mit fast 2 Stunden Verspätung, nicht wegen mir, heben wir dann auch ab nach Tiflis.

Das Wetter ist ausgezeichnet. Mit neuen Reifen sollte man also den Abano Pass schaffen können und so verlasse ich um kurz nach 10 Uhr mein Basislager in Alvani, wo ich nach einer Nacht in Tiflis hingefahren war und wo ich nach meiner Rückkehr aus Omalo erneut übernachten werde.
Google veranschlagt für die 72 km ab Hauptstraße knapp 3 Stunden. Es werden knapp 5, weil an einer Stelle aufgrund eines Steinschlag die Straße erst wieder freigeschaufelt werden musste. Der Umfaller in einer Wasserdurchfahrt eines Wasserfalls hat dagegen nicht viel Zeit in Anspruch genommen, da bereits wenig später unterstützende Hilfe nahte. Umgefallen, weil eine alte Bikerweisheit schon sagt: "Wohin man schaut, da fährt man hin". Das gilt natürlich auch für einen dicken Stein im Wasser, dem man eigentlich ausweichen wollte.


Nachdem ich von der Hauptstraße abgebogen war dauerte es nicht lange bis aus Asphalt Schotter und aus Schotter dann ein schmaler Weg wurde der nur mit einem 4WD Fahrzeug zu befahren ist und auf dem gerade mal ein Motorrad und ein Pkw an einander vorbeifahren konnten. 
Noch am Morgen unter der Dusche hatte ich mich ernsthaft gefragt, ob es vielleicht die letzte Dusche sei, denn was ich vorhatte, versprach kein Spaziergang zu werden. Die Strecke nach Omalo über den in 2876 Meter Höhe gelegenen Abano Pass zählt seit einiger Zeit laut Internet zu den gefährlichsten Straßen der Welt. Und tatsächlich hat es auf dieser Straße in den letzten Jahren mehrere Todesfälle gegeben. Dennoch will ich mich davon nicht abbringen lassen und mit neuen Reifen sollte das auch klappen. Hab ich in den letzten Wochen doch schon mehrmals auf einem 5 Meterturm, ja manchmal gefühlt auch auf einem 7er gestanden, kann ich auch jederzeit wieder umdrehen. Mit etwas gemischten Gefühlen hatte ich mich dann auch auf den Weg gemacht.

Zurückblickend kann ich sagen, dass für mich der am schlechtesten zu befahrene Abschnitt auf etwa 6 km Länge nach ca. 20 km begann. Die Straße ist dort nur sehr grob in den Fels gehauen worden und verlangt einem, neben kleineren Haarnadelkurven und Steigungen auch sonst, insbesondere aber auf der Rückfahrt, einiges ab. Es wundert mich insofern nicht, dass gerade auf diesen Streckenabschnitt eine größere Gedenktafel aufgestellt worden ist, der zufolge 2019 sechs Menschen den Tod fanden, als ihr Lkw aufgrund eines Motorschadens rückwärts den Abhang hinunterstürzte.

Ich bin überrascht welch ein Verkehr auf dieser Straße herrscht. Immer wieder kommen mir SUVs und gelegentlich sogar Radfahrer entgegen. Nach ungefähr 25 km schraubt sich die Straße Kehre um Kehre den Berg hinauf. Unglaublich wie man an einer fast senkrechten Wand eine Straße in den Fels schlagen kann. Entsprechend eng sind die Kurven. Im Internet wird von teils haarsträubende Situationen sich begegnender Fahrzeuge berichtet. Ich will das sicher nicht verharmlosen oder mich auf ein Podest stellen auf das ich absolut nicht gehöre, aber je länger ich unterwegs bin, desto mehr bekomme ich den Eindruck, dass es für einen Motorradfahrer einfacher ist die Strecke zu fahren. Für Mitfahrende in einem Pkw dürfte es sich hingegen vermutlich gefährlich zumindest aber etwas mulmig anfühlen, wenn sie bei der Begegnung zweier Fahrzeuge aus dem Fenster und steil nach unten blicken. Im Allgemeinen jedoch gibt es, neben einer vorausschauenden Fahrweise, immer wieder genügend breitere Stellen.

Nur einmal kommt mir später beim Abwärtsfahren in einer Linkskurve ein SUV recht forsch entgegen, kann ich im Kurvenaußenbereich etwas wackelig, aber ansonsten sicher anhalten.

Nach etwa 40 km erreiche ich den Pass. Es erwarten mich dichte Wolken, ein Café in einem Behelfsunterstand, eine kleine Kapelle, 8 andere Fahrzeuge und ein wenig Stolz in der Brust es bis hierher geschafft zu haben.


Nach einem kurzen Fotoshooting geht es erstmals bergab. Da waren sie wieder die 5 Metertürme. Zeichnete sich die Straße zuvor dadurch aus, dass sie oft von trockenen, vom bergab fließendem Wasser verursachten, manchmal breiten manchmal schmalen, auch den Weg immer wieder diagonal querenden Rillen durchzogen war, fahre ich nun 
Kurve um Kurve auf etwas besserem Schotter hinunter in Richtung des tief unten zu erkennenden Gebirgsbachs, an dem später die Straße auf den nächsten Kilometern entlangführen wird.

Vor mir öffnet sich eine weite Gebirgslandschaft vor einem verinzelt fast wolkenlosen Himmel. Bis auf die für mich anfangs etwas anstrengenden abwärtsführenden Kehren und gelegentlichen kleineren Abschnitte aus Matsch mit zum Teil tiefen Rillen der SUVs wird es eine gute Fahrt auf der ich erstmals sogar hier und da die Geschwindigkeit auf knapp über 30 km erhöhen kann.

Omalo

In Omalo finde ich schnell eine günstige Unterkunft mit Halbpension und da ich noch etwas Zeit bis zum Diner habe, mache ich mich nach einer kleinen Pause nochmals auf den Weg. Dartlo, etwa 15 km oberhalb von Omalo gelegen, ist nach knapp einer Stunde erreicht und will kurz besichtigt werden. Als die Sonne sich senkt und Dartlo beginnt lange Schatten zu werfen fahre ich zurück nach Omalo. Nach einem sehr guten Essen mit Hauswein und Gesprächen mit zwei weiteren Gästen, falle ich geschafft ins Bett. 

Dartlo

Die Straße nach Omalo ist eine Sackgasse, also muss ich Wohl oder Übel die gleiche Strecke wieder zurück. Irgendwie komme ich mit den Straßenverhältnissen heute aber besser zurecht, werde ich am Ende, im Gegensatz zur Hinfahrt, auch insgesamt eine Stunde weniger gebrauchen, obwohl die Straße an einer Stelle erst von einem weiteren Steinschlag geräumt werden muss.

Wenig später höre ich auf der abwärtsführenden Straße hinter mir ein Geräusch und halte in dem Augenblick an, als der linke Seitenkoffer abfällt. Ein entgegenkommender Autofahrer hält an und bietet mir einen Spanngurt an, den ich im Glauben zwei im Koffer zuhaben dankend ablehne. Es stellt sich aber heraus, dass ich die beiden Gurte zusammen mit anderen vermeintlich unwichtigen Dingen im Hotel zurückgelassen hatte. Aber warum war der Koffer überhaupt abgefallen? Beim Reifenwechsel mussten beide Koffer ab, offenbar hatte ich an einer der beiden Halterungen eine Verschraubung nicht wieder richtig festgezogen. Der Bolzen hatte sich gelöst und war herausgefallen und mit zunehmender Fahrt rutschte die andere Halterung dann irgendwann aus ihrer Verankerung. Mich auf die Suche nach dem Bolzen zu begeben gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen und so bleibt mir nichts anderes übrig, als ganz besonders auf die Festigkeit der nun einzigen Halterung zu achten und auf der weiteren Fahrt nicht jedes Schlagloch mitzunehmen.

Glücklich und zufrieden aber auch ein wenig abgekämpft komme ich wieder in meinem Basislager an und stelle anhand der leicht schmerzenden Handballen fest, dass die Strecke doch nicht so ganz ohne war.

Am Abend wird es stürmisch und ziehen dunkle Wolken heran. Ich hätte keinen besseren Zeitpunkt für dieses Abenteuer finden können, denn nach oder im Regen möchte ich die Strecke niemals fahren müssen.

Bei strahlenden Sonnenschein bin ich nach Stepantsminda gefahren und sitze nun etwas erhöht in einem Restaurant quasi am Nabel, nämlich im Zentrum der kleinen Stadt, direkt an der Georgischen Heerstraße, etwa 12 Kilometer von der Russischen Grenze entfernt und blicke auf den Kazbegi und die Gergetier Dreifaltigkeitskirche.

Unten auf der Straße liegt mitten auf der Fahrbahn ein dösender Hund, trifft sich mehr Jung als Alt aus aller Welt, warten Taxifahrer auf Fahrgäste und fährt jetzt am späten Nachmittag nur noch gelegentlich ein LKW vorbei. Manchmal sind sie schon von weitem zu hören, die mit Zwischengas fahrenden russischen Lkws, wenn ihre Motoren heulend versuchen ihre schwere Last den Hang hinauf zu befördern.
Stunden zuvor sah das noch anders aus. Aufgrund mehrerer Baustellen, man deckt eine Fahrbahn bei laufendem Verkehr ohne wirkliche wechselseitige Regelung, kam es auf der Anfahrt zu erheblichen Staus. Mag man meinen, dass es für Motorräder im Grunde keine Staus gäbe, dann hat man noch nicht erlebt wie es ist, wenn jeder irgendwie versucht durchzukommen. Da wird es schon mal eng, wenn gleich mehrere versuchen an einer Engstelle vorbeizukommen, obwohl nur Platz ist für einen Sattelzug oder wenn sich "Vordrängler", weil sie sonst die komplette Fahrbahn für den Gegenverkehr dicht machen würden, rückwärts und quer zur Fahrtrichtung in den Zwischenraum zweier Lkws quetschen, quasi "einparken" und dennoch wie ein Stachel zwischen den Lkws hervorstechen, um bei nächster Gelegenheit wieder hervorzufahren um dann wieder ein paar Meter an der endlos scheinenden Schlange vorbeizukommen. Gasse fahren klappt nur in den seltensten Fällen, dennoch habe ich mich langsam vorarbeiten und alle hinter mir lassen können.
Nun sitze ich hier bei einem Bierchen und lasse mir ein wenig die Sonne auf den sonst behelmten Kopf scheinen.
Wenig später stehe ich im angrenzenden sehr gut besuchten Supermarkt als 19ter in der einreihigen Schlange vor 2 Kassen, hinter mir weitere etwa 20 Wartende, und studiere schon mal die ersten russischen Schriftzeichen auf den Waren in den Regalen. 
Morgen geht's nach Russland.

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