Großer Kaukasus

Drei Nächte in Sighnaghi sind es geworden. Manchmal muss man auf seinen Körper hören.

Der Große Kaukasus, insbesondere die Dreifaltigkeitskirche in Gergeti, und Shatili und Juta, kleine Bergdörfer wo ich übernachten werde, sind meine Ziele

Aus Sighnaghi hinaus und den Berg hinunter fahre ich anfangs über eine Art schnellere Straße zweige dann aber irgendwann ab und fahre über Nebenstraßen durch die Alasani Ebene. Soweit das Auge reicht Wein, Pfirsiche und Aprikosen. Zumindest sieht es so aus. An einer Kreuzung mitten in der Pampa gerate ich in einen Stau, weil sich dort aus allen Richtungen Fahrzeuge treffen, die auf einer Art Markt an der Kreuzung und am Fahrbahnrand ihre Früchte Kartonweise anbieten. Wieder auf der Hauptstraße, auf Schildern lese ich "Wein Route", fahre ich durch Zinandali und Talewi und komme an etlichen Weingütern vorbei. 

Ab dem Zhinvali Stausee geht es einsam und kurvenreich auf gutem Asphalt Richtung Norden. Die Steilhänge zu beiden Seiten rücken näher, der Asphalt verschwindet dann irgendwann und wird zu Schotter und Erde. Ich überquere einen Pass und erreiche Shatili am späten Nachmittag. Eine günstige Bleibe ist schnell gefunden und so checke ich gleich für zwei Nächte ein. Der Abend klingt bei guten Gesprächen mit zwei deutschen Wanderern aus.

Eingebettet in einen Ring aus hohen steilen Felswänden, in absoluter Stille, nur der Gebirgsfluss rauscht im Hintergrund, frühstücke ich bei wolkenlosem Himmel und mache mich dann auf ins nahe "alte" Shatili, dem mittelalterlichen Dorf.

Vor einiger Zeit sah ich auf ARTE einen Bericht über Georgien und im Besonderen über Shatili und so erkenne ich den jungen Mann wieder, der nach seinem Studium in Tiblisi hier in der Einsamkeit zusammen mit seiner Freundin ein Café und ein kleines uriges Hotel eröffnet hat. Ich komme mit ihm ins Gespräch und erfahre, dass die beiden im Grunde die einzigen Dauerbewohner des mitteralterlichen Dorfes seien. Weiter unten im neueren Teil von Shatili wohnen noch ein paar andere, aber hier in diesen alten Mauern nur sie beide ganzjährig. Er gibt mir noch einen Tipp für meine weitere Fahrt an diesem Tag und dann verabschiede ich mich.

Mutso sähe ähnlich aus wie Shatili, aber die Lage sei nicht so gut und man müsse mehr klettern um den Hang hinauf zu kommen, außerdem könne man von der Grenzpolizei überprüft werden, da man sich hier nur etwa 3 km von der Grenze nach Tschetschenien entfernt befände. Ich werde dann auch prompt angehalten. Nach der Frage wohin ich wolle und woher ich käme, Mutso und Allemania, kann ich weiterfahren. Und dann eröffnet sich mir eine unglaubliche Gegend. Steil ragen die Felsen nach oben, entlang des rauschenden Gebirgsflusses. Seine gewaltige Kraft lässt sich in seinen Windungen an den Außenseiten erkennen, wo nicht selten große Teile der Straße einfach weggerissen worden sind. Mutso selber liegt so weit oben, dass ich mir das Hinaufklettern erspare.

Etwas weiter jedoch, der Anstieg ist moderater, lasse ich das Motorrad stehen und gehe den steilen Weg zu Fuß, weil ich auf einem Bergkamm ältere Gebäudeteile gesehen habe und ich mir vorstellen kann, dort vor der spektakulären Kulisse der Berge ein schönes Foto machen zu können.

Vor dem Gatter eines einfachen, ja ärmlich wirkenden kleinen Berghofes bleibe ich stehen. Die Pferche sind leer. Es gäbe die Möglichkeit entlang des Hangs auf einen kleinen schmalen Weg hinterm Hof weiterzugehen, womit ich ein längeres und auch steiles Stück Weg abkürzen könnte. Ich betrete den Pferch und schließe das aus Holzlatten und einer Fahrzeugtür zusammengebaute Gatter, da tritt ein Mann aus dem Schatten eines gebäudeähnlichen Baus, der, wie sich dann herausstellt, offenbar Teil eines Flugzeugrumpfes zu sein scheint. Ein paar Handzeichen hinsichtlich meiner Absicht und er hat keine Einwände, dass ich den Weg zur scheinbaren Ruine gehen kann. Angekommen habe ich tatsächlich eine wundervolle Rundumsicht, die Ruine ist jedoch ein wieder hergerichtetes Wohnhaus. Es scheint niemand da zu sein und so klettere ich zwischen den Mauerresten herum. 

Auf dem Rückweg kommt mir dann der Mann entgegen und es stellt sich heraus, dass er der Bewohner der vermeintlichen Ruine ist. Viel mehr noch. Als er erfährt, dass ich Deutscher bin, entsteht eine kleine Konversation in sehr gebrochenen Deutsch. Er erzählt mir, dass er als kleiner Junge in der Schule Deutsch gelernt habe und dann singt er mir zu meiner kompletten Überraschung noch die ersten Zeilen vom Lied der Lorely vor. Lachend und Schulterklopfend verabschieden wir uns. Es gibt Begegnungen die sind einfach unbeschreiblich.

Um 9 Uhr sitze ich wieder auf dem Motorrad. Die Wetter App hat möglichen Regen angekündigt, den ich auf den vor mir liegenden 35 km Schotter und Erde inklusive eines Passes nicht unbedingt haben möchte . Bei schönstem Wetter fahre ich los, doch nach einer Stunde fallen die ersten dicken Tropfen. Ich verzichte darauf anzuhalten um das Regenzeug anzuziehen, weil jede Minute länger mehr Regen bedeutet der die Straße streckenweise zu einer matschigen, zumindest aber anstrengenden Fahrt werden lassen kann.
So schlimm wird es dann zum Glück nicht und ich komme nur leicht durchgefeuchtet zum asphaltierten Teil der Straße. Ich nehme die Straße nördlich am Zhinvali Stausee entlang und der Sonne entgegen, bin aber auch wieder auf Schotter unterwegs.
Vier Stunden nachdem ich aufgebrochen war und etwa 100 km weiter erreiche ich die relativ stark befahrene Straße Richtung Russland nahe Ananuri.

Das Bergdörfchen Juta wollte ich eigentlich über eine Nebenstraße inkl. Pass erreichen, verzichte aber wegen des schlechten Wetters darauf. Wie sich herausstellt eine gute Entscheidung, denn ein Gewitter bricht los, gerade als ich in Höhe eines Restaurants bin. Ich nutze die Gelegenheit zur längst fälligen Pause. Lange dauert sie nicht und ich kann weiterfahren.
An der nächsten Tankstelle werde ich Achselzuckend vom Tankwart übers Ohr gehauen.
Bei knapp über 15 Liter stoppt der Zulauf, weil der Tank fast voll ist. Dann aber erlischt Die elektronische Anzeige auf dem Display der Säule und sind nur noch Hieroglyphen zu erkennen. Der Tankwart hebt die Schultern und schreibt mit einem Finger eine 50 an die Säule. Kurze Zeit später ist die Anzeige wieder okay und zeigt für genau 50 Lari knapp über 19 Liter an, genau das, was jemand vorher auch schon getankt hatte. Da ist ganz offenbar die Säule manipuliert worden, denn 15 Liter hätten auch besser zum Durchschnittsverbrauch gepasst. Zähne knirschend bezahle ich, weil ich weiter will.

Komme ich dann aber nur ein paar Kilometer. Im Nachhinein bin ich froh, dass mir dass nicht auf dem Schotterweg oder bei der Überquerung des Passes passiert ist. Ich setze zum Überholen eines LKW an, da reißt der Kupplungszug. Am Fahrbahnrand stehend, donnern die LKWs an mir vorbei und ich wechsle den Seilzug.
Nach 8 Stunden, Google hatte am Morgen noch 5 Stunden angegeben, erreiche ich das Bergdorf Juta und meine Unterkunft. Es regnet erst wieder am Abend.



Juta besteht im Grunde nur aus einer Handvoll älterer und einigen neueren kleinen Häusern an der Windung eines stark fließenden, donnernden Gebirgsbaches und ein paar wenigen am Hang.
Eine Schotterstraße führt ins Gebirge über den ich vermutlich bei schönen Wetter gekommen wäre. Der Ort lebt offenbar vorwiegend von den Wanderern die hier vorbeikommen oder Station machen. Vier Kilometer entfernt befindet sich eine Station der Grenzpolizei.

Wenn die Prognosen stimmen, dann darf ich morgen mit 100% Regenwahrscheinlichkeit rechnen. Also nichts verschieben, sondern heute machen. Etwas Gegend und die Dreifaltigkeitskirche in Gereti.

Zuerst werde ich an der besagten Station der Grenzpolizei wieder zurückgeschickt, womit zweifelhaft wäre, ob ich überhaupt den Pass hätte fahren können, danach fahre ich zur Dreifaltigkeitskirche. Natürlich ist heute Sonntag, wie bekomme ich das eigentlich immer hin. Entsprechend voll ist es auf dem Hügel und um die Kirche herum. Drinnen werde ich Zeuge wie der Priester an ihm vorübergehende Gläubige segnet.  

Regen ist erst für den späten Nachmittag angekündigt, also fahre ich nach Kobi wo sich sich die Talstation einer Seilbahn befindet, die in vier Abschnitten über den Berg verlaufend im Wintersport Resort von Gudauri endet. Bequem erreiche ich so sonst nicht erreichbare Höhen und hätte mir bei der unglaublichen Sicht über den Kaukasus nur etwas besseres Wetter und damit bessere Sicht gewünscht. Für mich als Norddeutschen ist es dennoch eine mehr als spektakuläre Landschaft.

Nach einer Stunde hin und zurück werde ich am Motorrad bereits mit einsetzendem leichten Regen erwartet. Etwas durchgefeuchtet erreiche ich Juta und wenige Minuten später scheint wieder die Sonne. 

Monument der Russisch-Georgischen Freundschaft

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