Kirgistan

Gefühlt habe ich eben noch im Niemandsland am Grenzzaun nach Kirgistan übernachtet und doch ist es schon wieder 9 Monate her, dass ich in Kirgistan gewesen bin.

Wegen technischer Probleme mit meinem Motorrad und einer Verletzung an der Hand hatte sich die Ausreise um 2 Wochen verzögert und so waren es nach der Nacht am Grenzzaun nur noch 7 Tage bis zu meinem Abflug nach Deutschland. Zuwenig für Kirgistan für das ich wenigstens 3 Wochen veranschlagt hatte. So blieb ich in Osh, der mit ca. 300.00 Einwohnern zweitgrößten Stadt Kirgistans, wo ich für mein Motorrad ein Winterquartier in einem kleinen renommierten Motorradladen mit Werkstatt und Verleih unter schweizerisch/amerikanischer Führung gefunden hatte und ließ die Seele baumeln.

Eigentlich wollte ich seit Mitte Mai schon unterwegs gewesen sein, da ich jedoch zuvor den Signalen meines Körpers Folge leisten musste, konnte meine Reise erst 5 Wochen später beginnen.

Es ist Ende Juni. Via Istanbul bin ich von Hannover kommend in aller Frühe wieder in Osh angekommen und habe im gleichen Hotel wie im letzten Jahr erst einmal mein Schlafdefizit des Nachtfluges etwas ausgeglichen.

Zuvor jedoch wurde es einmal mehr als sportlich, denn mit insgesamt knapp über 25 kg "Sturmgepäck", ohne Rollen, bleiben mir in Hannover keine 3 Minuten, die mir durch die Verspätung des ICE geblieben sind, um den Anschlusszug zum Flughafen zu bekommen. Ich merke, dass ich zu alt werde für derartige Leistungstests und dann ist dort bereits nach 90 Minuten alles erledigt und ich habe viel Zeit. 

Ein verspäteter Zug kann schon nervig sein, ein verspäteter Flug erst recht, der einem dann für den Anschlussflug ebenfalls nicht viel Zeit lässt. Hat man das überstanden muss man nur noch sein Gepäck wiederbekommen.
Die Spannung steigt. Die Nervosität und die Bemühungen sich zu beruhigen ebenfalls. Der A 321 war fast ausgebucht, entsprechend groß ist die Menschenmenge am Gepäckband. Runde um Runde leert es sich, wird die Gruppe der Wartenden kleiner, aber kommt offenbar vereinzelt noch Gepäck dazu. Die Familien mit ihren übernächtigten und quengelnden Kindern sind fast alle weg. Wir sind noch etwa 15 Personen. Nichts. Zwei geklappte Kinderwagen, das war's. Wir sind noch zu fünft.
Wie reklamiert man eigentlich fehlendes Gepäck und wo? Wenn es nur Kleidung wäre, damit könnte ich ja noch leben, aber es war, wen wundert's bei 17 Kilo, einiges an Equipment und Ersatzteilen dabei.

Als ich dann endlich meine Reisetasche vom Band nehmen kann fällt mir ein gelber Anhänger der Bundespolizei auf.
Einen solchen Anhänger habe ich zwar noch nie zuvor gesehen, aber schon eine Ahnung, da der von mir angebrachte zusätzliche Gurt offenbar gelöst worden war.

Wenig später im Hotel finde ich in der Tasche ein Formular in dem mir mitgeteilt wird, dass man auf Geheiß der Fluggesellschaft die Tasche geöffnet und ein paar verbotene Gegenstände entnommen habe.
Ich weiß jetzt zumindest, dass ein Gasfeuerzeug, 3 AAA Batterien und eine kleine Kartusche mit Campinggas dazugehören.

Jetzt sitze ich in einem kleinen Café nahe des turbulenten bunten Basars und wie im letzten Jahr tauche ich ein in eine mir scheinbar vertraute und doch so unbekannte Welt. Ich lasse mich treiben vom Treiben der farbenfroh gekleideten Menschen in einem Schmelztiegel aus Okzident und Orient und der Vielfalt und Mischung ihrer unterschiedlichen Herkünfte und Religionen. Ich sehe relativ viele junge Menschen und junge Familien und erfahre später, dass das Durchschnittsalter in Kirgistan bei etwa 27 Jahren liege, man früh heirate und Scheidungen wohl eher große Ausnahmen seien.

Obwohl ich das Bild der Frauen in der Öffentlichkeit, trotz eines 75-80 prozentigen muslimisch geprägten Religionsanteils, etwa 20 Prozent sind christlichen Glaubens, schon auch als eher europäisch bezeichnen würde, sollen Frauen in Kirgistan von der Gleichstellung der Geschlechter noch meilenweit entfernt und die Dominanz der Männer in allen Bereichen des öffentlichen Lebens allgegenwärtig sein.  

Mein Motorrad, das nach einem ersten Check nach dem Winterlager nicht mehr anspringt, beunruhigt mich da hingegen schon etwas mehr. Später teilt man mir mit, dass man es reparieren konnte, die Abholung sich dadurch allerdings etwas verzögern werde.

Die ersten 24 Stunden meiner Reise waren jedenfalls schon mal nicht langweilig. Es darf jetzt aber trotzdem etwas ruhiger werden.

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