Baikalsee

Baikalsee

Der Baikalsee, tiefster See und zugleich auch ältester Süßwassersee der Welt, ist im Winter mit einer über 100 cm dicken Eisschicht bedeckt. Er gilt als einer der wenigen Ort auf der Erde der sich die Natur trotz zunehmendem Tourismus und drohender Überfischung bewahrt hat.

Aber nicht nur der Omul ist das Objekt der Begierde. Der See beherbergt eine Vielzahl nur dort vorkommender Fische. Der Omul wird in der Region um den See in unterschiedlichen Varianten angeboten, oft auch von privat als geräuchert oder gedörrt an der Straße. Zur gedörrten, salzigen Variante könnte sehr gut ein Wodka passen, zur geräucherten habe ich ein Bier bevorzugt. Bären werde ich nicht sehen, obwohl hier und da mit Schildern gewarnt wird, aber dazu müsste man dann wohl mehr wandernd unterwegs sein. Der Baikalsee hat im Sommer ohne Frage seine Faszination, nachdem ich aber in einem Hotel ein Video mit Winterbildern vom Baikalsee gesehen habe, lässt sich das, sicher nicht nur für mich als Westeuropäer, um einiges steigern. Allerdings ist es dann auch sehr kalt. 

Bevor ich aber zum Baikalsee komme muss ich erst einmal über die Grenze nach Russland kommen. Kurz vorher werde ich dann das einzige Mal in der Mongolei von der Polizei angehalten und habe dafür aber wenig später mein ganz spezielles Souvenir in der Hand.

Von meiner letzten Unterkunft in der Mongolei waren es nur 45 Minuten bis zur Grenze. Frühes Erscheinen sichert die besten Plätze. 30 Minuten dauert dann auch nur das Verlassen der Mongolei. Die Passkontrolle läuft entspannt ab. Drei freundliche Beamtinnen sitzen lachend und scherzend hinter ihren halbhohen Scheiben. In ihren Uniformen entsteht eine Atmosphäre fast wie am Flughafen. Im Grunde fehlt nur noch „Wir wünschen Ihnen eine angenehme Weiterreise“. So kann Grenzkontrolle. 

Ein schmaler Streifen Niemandsland. Trotz russischer Flagge frage ich am Vorposten irritiert die meinen Pass entgegennehmende junge Beamtin mit asiatischen Gesichtszügen „Mongolia or Russia?“. Sie lacht und entgegnet „Russia!“. Das ist dann auch das letzte Lächeln der weiteren Kontrolle. So kann Grenzkontrollen dann auch und ich frage mich ob es die Gene sein könnten. Die Abwicklung der Einfuhr meines Motorrades nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Der englisch sprechende Beamte dem ich zuvor in sein Büro folgen musste, fand mich offenbar schnell im System und so stehe ich nach 30 Minuten wieder am Motorrad. Alles in allem kann ich nach 3 Stunden weiterfahren. Eine gute Zeit. Geht doch.

Ulan-Ude glaube ich damals im Erdkundeunterricht gehört zu haben. 430.000 Einwohner und die Hauptstadt von Burjatien. Von Burjatien habe ich noch nichts gehört. Etwa 30 km vor Ulan-Ude befindet sich das buddhistische Zentrum Russlands, das Kloster "Iwolginski Dazan". Davon habe ich erst recht noch nichts gehört. Es liegt quasi auf dem Weg und so fahre hin. Ulan-Ude trumpft zwar mit der größten Lenin-Büste der Welt, ist mir selbst jedoch nur eine Nacht wert, aber dafür eine besondere, denn nach einem Holzhaus gestern, fünf Sterne heute. 

Iwolginski DazanLeninkopfTheater

Neben den Schwierigkeiten eine SIM-Karte für das Handy zu bekommen, seit dem 01.01.2025 ist es für Ausländer aufgrund verschiedener Hürden im Grunde fast nicht mehr möglich, und mit Kreditkarten nicht zahlen zu können, bleibt das Buchen einer Unterkunft ein weiteres wenn auch kleineres Problem. Um Geld zu sparen können es dann auch schon mal 5 Sterne werden. Hört sich paradox an ist es aber nicht. Ostrovok.ru ist im Grunde das russische Pendant zu Booking.com, und verfügt über eine schier unglaubliche Anzahl an russischen Hotels, die ich aber ja nicht mit der Kreditkarte bezahlen kann, sondern vor Ort bezahlen müsste. Um aber überhaupt eine Auswahl zu haben wenn Barzahlung mal sein muss, wie zum Beispiel auf der Insel Olkhon im Baikalsee, ist Ostrovok.ru die Wahl der Stunde. Die schon mal erwähnte App ZenHotels.com hat ähnlich wie Booking und Co nicht ganz so viele Hotels in ihrem Portfolio von denen ebenfalls einige dann nur vor Ort bezahlt werden können, was jedoch wie bei Ostrovok.ru mein Bargeld schmälern würde. Insgesamt reduziert sich jedoch die Anzahl möglicher Unterkünfte die ich online bezahlen kann und da ich nach einem Tag auf dem Motorrad Zentrumsnähe wegen der kurzen Wege bevorzuge kann auch schon mal ein teureres Hotel dabei sein. 

Jetzt sitze ich auf einen Absacker in der kreisrunden Bar in der obersten Etage und erlebe ein wenig Leuchtturm-Feeling. Plötzlich wackelt kaum spürbar für einen kurzen Augenblick der Boden. Sinnestäuschung!? Ein Erdbeben wie vor kurzem in Kamtschatka!? Wenig später erneut. Ich will schon den Kellner fragen und denke an Flucht, als ich feststelle, dass sich die Bar dreht. Nicht vor meinen Augen, sondern der Ring der Sitzgelegenheiten ganz langsam und gelegentlich rumpelnd um den inneren Kern der Bar. Wenn man so will mein persönliches Highlight in der Stadt, denn deren Anzahl ist überschaubar.

kleiner Lebensmittelladen

Bis Irkutsk sind es ohne Umwege etwa 450 Kilometer bzw. laut Google 7 Stunden Fahrt. Da ich für die beiden Anschlussnächte bereits ein Hotel in Irkutsk gebucht habe, mache ich einen kleinen Umweg zum Ostufer des Baikal See und halte an einer hübschen Kirche eines Klosters mit tollem Blick auf den Baikal See. In der Kirche spricht mich ein Mönch an. Als er erfährt, dass ich Deutscher sei gibt mir einen Wink ihm zu folgen und so bekomme ich eine kleine private Führung. Anschließend lädt er mich zum Mittagessen ein was ich aber leider ablehnen muss. Mir läuft die Zeit etwas davon, denn ich hatte mich unterwegs schon beim Fotografieren etwas verdaddelt und außerdem schon eine kleine Mittagspause gemacht. Wenig später erreiche ich wieder die von Ulan-Ude nach Irkutsk führende Hauptstraße mit einigen Baustellen und sehr vielen LKWs und mehr oder weniger immer in Sichtweite der Eisenbahntrasse unter anderem auch der transsibirischen Eisenbahn.

Planänderung. Ich bin vor über acht Stunden in Ulan Ude abgefahren und werde mir In Sludjanka eine Unterkunft suchen. Dann werde ich eben erst eine Nacht später in Irkutsk sein. Die erste Unterkunft gibt es offenbar nicht mehr, die zweite ist ausgebucht. Ich suche im Handy nach weiteren Möglichkeiten, da spricht mich ein junges Pärchen an. Er möchte sich gerne mit mir zusammen vor meinem Motorrad fotografieren lassen. Für mich kein Problem und auch für ihn nicht mir anschließend wie selbstverständlich bei der Suche nach einer Unterkunft zu helfen. Nach mehreren erfolglosen Telefonaten bliebe fast nur noch die Einladung anzunehmen bei ihnen zu übernachten.  Es ist halb sieben. Knapp über 100 km bis Irkutsk, also nochmal anderthalb Stunden on top. Ich verabschiede mich.

Bevor es morgen an den Baikalsee geht, ohne nur an ihm entlanggefahren zu sein, wird Irkutsk erkundet. Früh am Morgen werde ich von der ersten unmittelbar vor dem Hotel entlangfahrenden Straßenbahn durch lautes Rumpeln und Wackeln der Wände geweckt. Das ganze Haus ist am Beben. So etwas steht natürlich nicht in der Hotelbeschreibung.

Nicht weit vom Hotel entfernt sehe ich eine „Green Line“ auf dem Gehweg und ganz in der Nähe auch eine Tafel mit Erklärungen in russisch. Irkutsk bietet so seinen Besuchern die Möglichkeit alle 30 POIs der Stadt ohne Umwege ablaufen zu können.

Theater

noch bewohnt

Nach einem Besuch im „Riekers“ dem Laden für entsprechende Schuhe der neuesten Kollektion für Kind, Frau und Mann frage ich mich wie das angehen kann und mache nach 4 Stunden erst einmal eine Kaffeepause im ehemaligen Starbucks, jetzt „Stars Coffee“ genannt. Auch das Restaurant in Ulan Ude war mit Martini, Aperol und anderen bekannten Getränken gut bestückt, bekommt man zwar seltener Coca-Cola und Lipton`s Icetea, dafür seinen Cheeseburger von Donald jetzt im McBurger und heißt der lösliche Kaffee von Jacobs jetzt nur noch "Monarch" ohne Jacobs. Überhaupt habe ich nicht den Eindruck das Mangel herrschen könnte. Die Betreuerin einer Reisegruppe hatte mir jedoch erzählt, dass weniger ausländische Touristen im Land seien.

Ich weiß, dass ein Jeder jeden Tag eine Geschichte zu erzählen haben wird und Geld umtauschen normalerweise keine Geschichte ist. Ich habe keine Nummer gezogen, weil ich nicht weiß wie das an dem Terminal geht und weil man, soviel weiß ich, eine Handynummer braucht die ich aber nicht habe. Die junge Frau auf der anderen Seite der Panzerglasscheibe fordert jedoch genau so eine Nummer. Niemand hinter mir wartet und nachdem ich meinen „Dackelblick“ aufgelegt habe kann ich meinen Pass und die umzutauschenden Dollarscheine durchreichen. Aber nicht die Geldscheine werden auf ihre Echtheit hin geprüft sondern mein Pass. Jede Seite wird unter Licht kontrolliert. Mir war bis dato überhaupt nicht bekannt, dass alle Seiten so bunt sein können. Danach werden meine Daten so umfangreich in den Computer eingegeben, dass ich in der gleichen Zeit in Deutschland ein Fahrzeug hätte zulassen können. Dann kommt Unterstützung. Eine Kollegin überprüft ihrerseits meinen Pass von allen Seiten, vergleicht die eingegebenen Daten und gibt dann ihr Okay. Alles läuft sehr freundlich, zuweilen lächelnd ab. Nachdem ich Rubel und meinen Pass erhalten habe noch ein freundliches Lächeln von der durchaus charmanten Kassiererin das ich, mich bedankend erwidere. 

Sludjanka, Irkutsk und Listwjanka bilden so etwas wie ein touristisches Dreieck. Von Irkutsk aus starten Reisebusse die einen nach Sludjanka bringen wo man in einen Zug einsteigen und auf einer alten Teilstrecke der transsibirischen Eisenbahn bis nach Listwjanka fahren kann. Danach geht’s zurück nach Irkutsk. Das wollte ich eigentlich auch, aber selbst organisiert ab Sludjanka mit einer Übernachtung. Mal eben so ein Zugticket kaufen geht nicht und muss über das Internet abgewickelt werden. Und das mit der Übernachtung hatte ja auch schon nicht geklappt. Also ohne Zug nach Listwjanka, zusehen wie andere ankommen, die Gegend, den Baikal See und die Atmosphäre genießen wenn die Touristen wieder weg sind. 

Denkste. Mitte August und Wochenende. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Vor allem Trubel. Gewöhnungsbedürftig. Nach einsamer Wolf jetzt also Rudeltier. Na dann! Hinein! Morgen wird es dauerregnen.



Es ist Nachmittag als es endlich aufhört. Mit der Fähre über die Angara, dem einzigen Abfluss des Baikalsees im Gegensatz zu mehr als 300 Zuflüssen, nach Baikal, dort wo ich angekommen wäre hätte es mit einer Übernachtung in Sludjanka und der Buchung eines Eisenbahntickets geklappt.

Wenn ich schon nicht auf der Strecke fahren kann, dann laufe ich eben ein Stück darauf. Für einen Tunnel reicht es dann aber nicht, doch als dann der Zug mit dem ich eventuell gefahren wäre an mir vorbeifährt, fühlt es sich ein Stück so an als hätte ich drinnen gesessen. Mit der letzten Fähre fahre ich zurück. Die  Sonne geht gerade unter während in Listwjanka am Ende eines verregneten Sonntags Ruhe eingekehrt ist. Es scheint als ginge hier der Sommer langsam zu Ende.

Olkhon, auch Schamaneninsel genannt, ist die größte und einzig bewohnte von 26 Inseln im Baikalsee. Die Fähre hinüber ist kostenlos. Nach dem gestrigen Regen erlebe ich seit längerer Zeit auf der Insel für 40 km mal wieder feuchte Lehmspuren, Asphalt gibt es erst wieder innerhalb von Khuzhir wo ich übernachten werde. Aus einem Fischerdorf mit Fischfabrik ist in den letzten Jahren ein Touristenort geworden. In Khuzhir leben etwa 1500 der insgesamt 1700 Bewohner der Insel und wird daher auch als die "Hauptstadt" bezeichnet. Khuzhir liegt etwa mittig am Westufer. Ein guter Ausgangspunkt um die Insel zu erkunden. Der Schamanenfels, einer der Attraktionen der Insel ist fußläufig gut zu erreichen.

Beim Frühstück erfahre ich von einem deutsch sprechenden Guide, dass man für den Rest der Insel ein Permit benötige, gibt aber auch gleichzeitig zu bedenken, dass die Straße nach dem Regen sehr schlecht sei. Die meines Motorrades haben mittlerweile die Verschleißgrenze erreicht und insbesondere der Hinterreifen hat auf dem mongolischen Asphalt ziemlich gelitten. Ich zögere daher nicht lange und treffe im Nachhinein betrachtet eine wahrhaft kluge Entscheidung und buche einen der drei frei gewordenen Plätze in einer kleinen Reisegruppe. Jetzt sitze ich zusammen mit vier russischen Frauen, die sich nicht nur viel zu erzählen haben sondern sich auch als sehr textsicher erweisen als das Radio eingeschaltete wird, in einem überall in Asien anzutreffenden, meist hellgrauen, zuweilen auch dunkelgrünen russischen UAZ 452, einem geländegängigen Kleinbus mit bis zu 10 Sitzplätzen, der im Volksmund Buchanka genannt wird was übersetzt Kastenbrot bedeuten soll.

Schon nach wenigen Kilometern stellt sich heraus, dass ich die Strecke nicht hätte fahren können, bzw. mindestens an 3 oder 4 Stellen umgekehrt wäre. In einer sehr hügeligen Gegend fahren wir erst über teilweise recht steile feucht schimmernde, mitunter aufgewühlte Erdwege , dann über die Ausläufer einer Düne und durch Wald. Was ich jedoch im Wald erlebe stellt alles in der Mongolei und in Kirigistan gewesene in den Schatten. Selbst die russischen Geländewagen haben mit dem Matsch und den mega tiefen Spurrillen zu kämpfen. Es gibt nur sehr wenige Ausweichspuren da der Weg durch die Bäume keine zulässt und auch diese sind bis an die Grenze des Machbaren zerklüftet und matschig. 

Die gesamte Tour dauert fast 8 Stunden. Wir erreichen alle sehenswerten Punkte der Insel und machen an einer Stelle mit einer traumhaften Sicht auf den See eine Mittagspause. Auf der Ladefläche des UAZ steht ein einflammiger Gasbrenner auf dem der Fahrer das Essen frisch zubereitet hat.

Schamanenfels

Vom Guide erfahre ich, dass auf der Insel von 1930 bis 1950 ein Gulag war. Inhaftiert waren dort Kleinkriminelle die etwas gestohlen oder Negatives über Stalin gesagt hatten oder einfach nur mal 10 Minuten zu spät zur Arbeit gekommen seien, so der Guide. Er erzählt auch, dass um den Baikalsee der Schamanismus stark verbreitet sei und hier eine eigene Religion darstelle, aber auch in Verbindung mit der Christlich-Orthodoxen Religion oder dem Buddhismus gelebt werde. 

Die Sonne geht zwar auf und ist kurz zu sehen, doch nicht aus der Richtung in die ich fahren werde. Der Himmel bestätigt die Wettervorhersage und so werde ich bis dato meine dritte und mit fast 3 Stunden auch mit Abstand längste Regenfahrt haben.

Nach Olkhon hatte ich geplant nach Severobailkalsk im Norden des Baikalsee zu fahren und von dort über Bratsk nach Krasjonarsk. Da mich die von Google angegebenen Zeiten zu den 800 zu fahrenden Kilometern irritieren halte ich für besser mich zu informieren. Ich frage den Guide ob ich mit ähnlichen Verhältnissen rechnen müsse wie auf der Tour. Er nickt, meint kurz "Taiga" und hebt dabei seine Schultern und ich erfahre, dass es landschaftlich dort sehr schön sei, es aber über 200 km lang keinen Asphalt gebe. Somit steht für mich fest, dass ich mir diesen Teil ersparen und über Irkutsk zurück nach Krasjonarsk weiter Richtung Westen fahren werde. Ich kehre damit dem Baikalsee den Rücken und sage "Do svidaniya Baikal".