Ein paar Worte zu Kirgistan

Ein paar Worte zu Kirgistan

Eine aus meinen Beobachtungen und Begegnungen resultierende rein subjektive Sicht auf Kirgistan.

Ich bin jetzt das dritte Mal und insgesamt über 7 Wochen in Kirgistan, auch Kirgisistan oder Kirgisien genannt. Natürlich reicht das nicht aus um tiefer in die Geheimnisse dieses Landes einzudringen, könnte aber ausreichen sich wenigstens ein kleines Bild zu machen. 

Kirgistan befindet sich überwiegend auf hohem Niveau und damit meine ich nicht das äußere Erscheinungsbild der Hauptstadt Bischkek mit etwa 1,1 Millionen Einwohnern, Osh mit ca. 330000 Einwohnern der zweitgrößten Stadt oder Karakol der drittgrößten mit ca. 68000 Einwohnern. Es ist, aus westlicher und meiner Sicht, eher im mittleren Bereich zu sehen. Auf einer Karte im Frühstücksraum eines homestay war gut zu erkennen, das im Grunde nur nördlich von Bischkek und um den Yssykköl etwas Grün vorhanden ist, ansonsten scheint Kirgistan nur aus Gebirge zu bestehen. Weizenanbau wie man es in Deutschland kennt ist eben nur hier möglich. Viehzucht, Schafe, Kühe, Ziegen und Pferde sind hingegen in den entlegendsten Gegenden anzutreffen und bestimmen daher traditionell auch den Speiseplan.  

In den Städten sind fast alle größeren Straßen, die Verbindungsstraßen zwischen den Städten und meistens auch die Durchgangsstraßen in kleinen Dörfern asphaltiert aber nicht immer in guten Zustand. Aber überall im Land werden vereinzelt Schotterstraßen in asphaltierte umgebaut. Ansonsten bestehen die Straßen aus Schotter, was das Fahren bei Trockenheit zu einer äußerst staubigen Angelegenheit macht. Staubig ist Kirgisistan zuweilen, aber dreckig ist es nicht. Da habe ich im Süden Italiens zum Beispiel ganz anderes gesehen. Müll auf der Straße oder am Straßenrand findet ich selten. Es gibt noch viele Spuren der ehemaligen Sowjetunion, jedoch scheint in die Infrastruktur investiert zu werden. Ich habe viele neuere Schul- und Kindergartengebäude und Medical-Center gesehen, auch in den Dörfern.

In Kirgistan gibt es keine Kfz Versicherungspflicht und man einigt sich untereinander, so wurde mir berichtet. Es soll aber offenbar Bestrebungen geben dies ändern zu wollen. Ich hatte daher auch keine Versicherung abgeschlossen. Der Zustand der Fahrzeuge ist zum Teil haarsträubend. Jeder darf machen was er will so scheint es. Gäbe es einen TÜV, wäre ein Großteil der Fahrzeuge von den Straßen mit Sicherheit verschwunden. Der Verkehr ist da gefühlt auf gleichem Niveau. Eine Hupe sollte funktionieren. Meist um einen Anderen wegzuhupen. Hupen gehört quasi zum guten Ton. Beim Überholen gelten andere Regeln als in Europa. Wer überholt warnt den Gegenverkehr durch Lichthupe. Hier scheint Vorfahrt zu haben wer überholt und erwartet offenbar, dass der Gegenverkehr dem Überholenden Platz macht. Ein Entgegenkommender drängte mich soweit zur Seite, dass mir nur noch etwa 30 cm bis zum Seitenraum aus Schotter belieben. 

Englisch wird als Fremdsprache in den Schulen gelehrt und ist mit Ausnahme in absolut ländlichen Gegenden bei der mittleren und jüngeren Generation weit verbreitet. 

Ich hatte mich etwas mit der mittvierzigjährigen Besitzerin meines Guest House in Karakol unterhalten und sie erzählte mir in sehr gutem Englisch zu meinen festgestellten Unterschieden zwischen Nord und Süd, dass der Süden um Osh überwiegend von Usbekistan, der Norden aber eher von Russland geprägt sei. Religiös wie auch traditionell gesellschaftlich. Karakol unterscheidet sich jedoch zur Hauptstadt im Hinblick auf das Erscheinungsbild der Bewohner und Bewohnerinnen im Grunde nicht. Junge Mädchen und Frauen zeigen Haut, andere tragen Kopftuch. Burka & Co sah ich hier gar nicht in Bishkek gelegentlich, in Osh jedoch mehr. Wobei ich zu einem Punkt komme den zu bewerten mir als Mann nur bedingt zustehen mag, aber es gibt auch Frauenärzte und nicht nur Ärztinnen.

Zwei oder drei Unterkünfte trugen nicht nur einen weiblichen Namen, sondern wurden auch von ihrer Namensgeberinnen geführt, wurde ich einmal vom Ehemann, einmal vom Bruder an den "Boss" verwiesen. Im Straßenbild konnte ich mit Ausnahme in Osh, kaum einen Unterschied zu Europa feststellen.

Was mir aber besonders aufgefallen ist, waren die vielen jungen Mütter, aber auch Väter. In Kirgistan wird sehr früh geheiratet. Nicht selten vor dem 20. Lebensjahr. Wer mit 25 noch nicht verheiratet ist, für den wird es schwer werden. Das führte früher offenbar auch zu Entführungen und Zwangsheirat. Allerdings soll das nur noch sehr, sehr selten vorkommen. Vielleicht ähnlich der Witwenverbrennungen in Indien. Ob es die noch gibt, Zwangsheirat oder Witwenverbrennung kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, gibt es im Internet jedoch vereinzelt entsprechende Berichte.
Eine junge Ehe könnte in 
erster Linie dem Durchschnittsalter in Kirgistan geschuldet sein. Wie auch in den Anrainerländern liegt es bei etwa 25 Jahren. In Deutschland zum Vergleich dagegen bei etwa 45 Jahren. Das mag am harten und entbehrungsreichen Leben und vielleicht an der medizinischen Versorgung insbesondere auf dem Land liegen. Auf jeden Fall muss man offenbar früh anfangen will man die Ehe seiner eigenen Kinder noch miterleben. 

Aus europäischer Sicht mag einiges veränderungs- oder anders verbesserungswürdig zu sein, aber vielleicht sollte man nicht nur die Souveränität, die Religion und die Traditionen respektieren, sondern auch erkennen, dass Veränderungen Zeit brauchen. Manchmal Generationen. Kirgistan war bis zur Perestroika Teil der Sowjetunion und ist heute das einzige demokratische Land in der Region und gefühlt auf einem guten Weg. Ich habe die Menschen jedenfalls als sehr offen und gleichberechtigt erlebt. 

Moschee in Karakol

Was mich an Kirgistan neben der unglaublichen Landschaft und den vielen visuellen Eindrücken aber am meisten fasziniert hat ist die unglaubliche Gastfreundlichkeit die ich erlebt habe. Egal ob am Strand des Yssykköl oder auf dem Basar. Fremde Menschen luden mich ein, sprachen mich an und gaben mir die Hand und unwillkürlich kam mir der Gedanke, ob man in Deutschland sich nicht womöglich reflexartig gefragt hätte ob sein Gegenüber hoffentlich die Hände gewaschen hat. Hier wird "Willkommenskultur" noch groß geschrieben und man zeigt sich stolz, dass man ihr Land besucht.