Das Motorrad ist gepackt, ich bin startbereit.
Ich schalte die Zündung ein, warte bis die Elektronik hochgefahren ist und drücke auf den Startknopf. Eigentlich ein ganz normaler Vorgang sollte man meinen, aber zuletzt sprang es in Deutschland an und das auch nicht immer. Das Motorrad macht aber was es soll.
Vom Seitenständer gekippt, kippt es mir gleich etwas zu weit zur Seite, kann es aber halten. Wohl doch zu viel Gepäck!?
Auf jeden Fall müssen die ersten Kilometer langsam angegangen werden, da die Reifen erst wenige 100 Meter gelaufen haben und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, das irgendetwas nicht stimmt.
Vertrauen sieht anders aus.
Irgendwann finde ich dann eine Tankstelle die auch Reifenluft anbietet, was eher selten der Fall ist, und dann kommt langsam ein Gefühl auf das ich kenne wenn Mensch und Maschine mit der Fahrbahn eine Symbiose einzugehen scheinen.
Nach über einer Stunde lasse ich Bishkek in Richtung Westen hinter mir. An einem Viehmarkt halte ich an und schlendere über den Platz. Nicht unbedingt etwas für zartbesaitete Westeuropäer oder generell Tierliebhaber. Es geht gelinde gesagt etwas rustikal zu. Das bei uns sprichwörtliche Tierwohl scheint hier im wahrsten Sinn ein Fremdwort zu sein.
Da muss dann eine Kuh auch schon mal ohne Rampe auf den Pick-up oder stehen Pferde sehr kurz angebunden nebeneinander.
Nachdem ich dann etwas nach Luft ringend den auf 3120 m Höhe gelegenen Tunnel des „ Too Ashu Passes“ erreiche und auf der anderen Seite ins weite, auf 2200 m Höhe gelegene und von bis zu 4500 m hohen Berggipfeln umgebene Sasuumyr-Tal blicke, erlebe ich wenig später wieder einmal einen dieser wertvollen Momente die eine Reise so einzigartig machen.
In der Nähe von Suusamyr werde ich am Grab bzw. an der damaligen Jurte eines der Geschichte nach ziemlich großen und kräftigen Mannes Ende des 19. Jahrhunderts angesprochen. Ich verstehe natürlich kein Wort, verstehe aber, dass man mir erklärt vor was ich eigentlich stehe. Und dann möchte man ein gemeinsames Foto und obwohl noch wenige Augenblicke zuvor Lachen zu hören war, bekommen ihre Gesichter im Augenblick des Fotografierens vorübergehend einen eher sowjetischen Ausdruck.
In einem homestay in Kyzyl-Oi übernachte ich dann für 21€ inklusive Abendessen.
Um am Songköl See entlang nach Naryn zu kommen, wo ich mein Permit für die Grenzregion erhalten werde, könnte ich ein Stück weiter südlich auf eine, in den Karten rote und damit viel befahrene Straße kommen, was ich aber nicht möchte. Von Kyzyl-Oi fahre ich nach dem Frühstück also etwa 30 km wieder zurück und biege kurz vor Suusamyr nach rechts Richtung Osten ab. Immer in Sichtweite eines aus den Bergen kommenden Flusses führt die Straße in diesem Tal langsam bergan. Immer wieder tauchen weiße Tupfer, die Jurten der Nomaden mit ihren Pferde-, Kuh-und Schafherden im satten Grün der Berghänge und blumenreichen Wiesen auf.
Die schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge rücken näher und als schon lange keine Jurte mehr zu sehen ist kreuzt ein Bachlauf meinen Weg. An einer dort trinkenden Pferdeherde hindurch und vorbei suche ich mir meinen Weg durch das Bachbett. Ich kann das Motorrad im letzten Moment vor dem Umfallen bewahren und bin froh, dass ich diese Stelle nicht noch einmal durchqueren muss.
Doch weit gefehlt.
Bis zum Abzweig zum 3832 m hohen Kegety Pass ist es nicht mehr weit. Morgen könnte ich zeitig von der nicht mehr weit entfernten Unterkunft starten.
Nach 3 Stunden Fahrt, ca. 120 km, einer weiteren Furt und kurzem steilen Anstieg stehe ich dann aber vor einem den gesamten Weg blockierenden, keine 100 Meter breiten Schneebrett. Der ins Tal führende Weg zum Greifen nah und doch unerreichbar.
Damit ist nicht nur der Weg zur nahen Unterkunft sondern auch zur ebenfalls nicht mehr weit entfernten Tankstelle abgeschnitten.
Jetzt scheint sich zu rächen, dass ich am Morgen nicht doch noch einen kleinen Umweg von 45 Minuten/ca. 30km pro Strecke zu dieser „roten“ Straße und damit zur nächsten Tankstelle gemacht habe.
Die Tankanzeige hatte eben angefangen blinkend die Reserve anzuzeigen. Meine Hoffnungen liegen jetzt im gefüllten 2 Liter Kanister, der bei schonender Fahrt für 50-60 km reichen könnte, darin, dass die Anzeige zu meinen Gunsten nicht korrekt anzeigt und, dass man mir bei den Nomaden weiterhelfen wird.
Nachdem ich die besagte erste Furt, von der ich ausging sie nicht mehr befahren zu müssen dann doch nicht ganz trocken überstehe, richte ich das Motorrad im Bachbett liegend wieder auf und fahre sie ans Ufer, fülle die 2 Liter in den Tank und setze meine Fahrt, Gott sei Dank überwiegend leicht abschüssig fort.
Man konnte mir bei den Nomaden nicht helfen, eine angeblich nach 10-15 km vorhandener Tankstelle war auch nach 40 km nicht zu entdecken, aber dafür begann die Tankanzeige erst 7 km vor meinem gestrigen homestay wieder an zu blinken.
2 Liter Wein können vielleicht zu viel, 2 Liter Benzin dagegen gerade ausreichend sein.