Lofoten - Die "Costa Smeralda" Norwegens
Tag 204-206 - Lofoten: An smaragdgrünen Buchten, manchmal sogar ganzen Abschnitten eines Fjords entlang, schroffe Felsen mit zackigen Kämmen auf der einen Seite einer schmalen, selten befahrenen Straße, auf der anderen Seite gelegentlich kleine bunte Dörfer. So oder so ähnlich könnte man die Lofoten bestimmt beschreiben. Nur ich nicht, denn mir zeigt sich fast alles regenverhangen und grau.
Eigentlich wollte ich für die Lofoten einen eigen Beitrag verfassen, weil ich gehört und gelesen habe, dass es hier so unglaublich schön sein soll. Seit heute morgen denke ich, dass ich es bei einem Nachtrag zum vorherigen Bericht belassen sollte. Gestern hatte es schon fast die ganze Zeit geregnet und ich wohl nur Glück, als ich zum Einkaufen fuhr und mir die Elche begegneten. Ich wache auf und höre den Wind um die Hausecke pfeifen. Das verheißt nichts Gutes. Ich schiebe die Gardine beiseite und sehe Tristesse in Reinform, doch heute muss ich weiter, auch oder erst recht wenn ich mir die Wetterprognosen für die nächsten Tage ansehe. Regenwahrscheinlichkeit bis zum Wochenende über 90% und schon vorher hatte mir mein Handy mitgeteilt, dass es 3 Grad kälter werden soll als gestern und damit 8 Grad. Ich packe zusammen und mich warm ein und fahre, mit langsam aufsteigendem Frust und bei wieder einsetzendem Regen, los. Ich will nicht undankbar sein, waren die meisten Tage in Norwegen so schlecht ja nicht, aber hätte das schlechte Wetter nicht noch ein paar Tage warten können? Vielleicht habe ich es tatsächlich unterschätzt. Wir haben fast Mitte September, aber gefühlt ist hier zur Zeit norddeutscher November. Zwei Radfahrer kommen mir entgegen, volles Gepäck also mit Sicherheit Touristen, und strampeln gegen die Regenböen. Okay, hör auf zu meckern, sage ich mir und zolle den beiden meinen Respekt.
Ich bin froh um jeden Tunnel durch den ich fahre, zumal er nicht nur trocken, sondern es auch wärmer in ihm ist. Zwei Grad. Jedes Mal hoffe ich, dass der Regen aufgehört haben könnte, aber vergebens. Was in den letzten Tagen immer wieder klappte scheint nicht mehr zu funktionieren. In einem der Tunnel ziehe ich mir in einer Nothaltebucht eine Fleecejacke drunter, winke aber vorsichtshalber in die Kamera, fehlt noch, dass man mir helfen möchte.
Wieder draußen geht es vorbei an unzähligen kleineren und auch größeren, an den Felswänden hinunterstürzenden Wasserfällen, die den bereits über die Ufer getretenen Bach entlang der Straße zu einem weißen, leicht schäumenden Band in der ansonsten trüben Landschaft machen. Ich fahre an einem Hinweisschilder vorbei das mir sagt, dass ich jetzt auf den Lofoten bin. Was mir eigentlich ein kleines Frohlocken hätte entlocken können, hört sich dann aber eher an wie ein Schnaufen.
Ich fahre auf der nördlichen Route in diesem Teil der Lofoten, allein weil sie keine Verbindungsstraße ist. Wieder ein Tunnel. Wieder 2 Grad wärmer. Wieder etwas trockener. Ich fahre heraus und glaube im ersten Moment in einem Zeit-Tunnel gewesen zu sein, der mich irgendwo ausspuckt wo es nicht nur nicht regnet, sondern sehr vereinzelt blauer Himmel und, entfernt zwar, die Sonne auszumachen ist und schon bessert sich meine Laune. Die Straße ist hier sogar fast trocken und so wie ich es mag. Schmal, mit kleinen Buchten und wenig Verkehr. Leider wird dieser Abschnitt bald vorbei sein und ich muss auf die Hauptstraße südlich der Berge wechseln, aber noch ist es nicht soweit.
Nicht weit von der Straße schlagen die Wellen an die mit großen Felsbrocken übersäte Küste. Im Hintergrund das düstere wolkengrau eines nahenden Unwetters und hinter mir die dunkelgrauen Wolken an den Bergrücken, aber über mir etwas blauer Himmel und gelegentlicher Sonnenschein. Dann sehe ich nicht weit von der Küste entfernt ein gläsern wirkendes Gebäude ähnlich einer DLRG Station und ich beschließe dort eine Pause einzulegen. Ein niedriges Gebäude, es könnte eine Fischerhütte sein, steht in der Nähe, eine ältere Frau sitzt auf einer Holzbank und sortiert offenbar selbst gepflückte Beeren. Sie spricht kein Deutsch, aber ihr 82 jähriger Ehemann. Beide sind seit mehreren Monaten mit einen Wohnmobil unterwegs und ich erfahre ferner, dass ich in der vermeintlichen DLRG Station übernachten könne. Auch das nahe stehende Gebäude sei für jedermann zugänglich. Ich bin nicht nur überrascht, sondern begeistert. Sollte ich auf meiner weiteren Fahrt keine geeignete Unterkunft finden, wäre das hier genau das Richtige. Leider kommt diese Möglichkeit etwas zu früh, trotzdem sehe ich mir die Gebäude näher an. Beim Glaskasten könnte es sich um einen Beobachtungsplatz bei Nordlicht handeln. Das kleine "Fischerhaus" hingegen ist so etwas wie die Bar. Es liegt sogar ein Gästebuch aus. Aber das Beste ist, rundherum nur Natur.
Ich fahre weiter, komme an einem kleinen Cafe in einem ebenso kleinen Fischerdorf vorbei, vor dem ein "Bob Marley" Hund liegt, so verfilzt aber auch zottelig ist sein Fell und ich lege eine Kaffeepause ein. Im Café sitzen ein paar junge Leute, die das Studentenleben gerade beendet haben könnten. Das Café scheint eine Art Szene-Treff zu sein, Herrchen sitzt unverkennbar unter ihnen. Der Kaffee ist lecker und zusammen mit einem Stück Kuchen für norwegische Verhältnisse recht günstig.
Dann muss ich aber Richtung Süden und damit zur Hauptstraße und in die dunklen Wolken zurück. In Svolvær kaufe ich ein, verzichte auf die geplante Weiterfahrt nach Henningsvær, macht man mir in der Nähe ein zu teures Angebot für eine kleine Hütte mit Dusche und WC über den Platz, woraufhin ich beschließe, dass ich etwas besseres weiß. Und hier sitze ich jetzt keine 30 Meter vom Meer entfernt in einem Glaskasten mit Rundumsicht in fünf Meter Höhe. Keine Dusche, keine Gardinen, ein Dixie-Klo 20 Meter entfernt, aber eine Lage die unbezahlbar ist.
Nach einer etwas unruhigen und leicht kühlen Nacht auf der Luftmatratze und einem Schlafsack, der nicht das gehalten hat, was das Etikett versprach, schäle ich mich, ohne jedoch eine IBU nehmen zu müssen ,aus meiner Ummantelung. Noch regnet es nicht, sind aber die verheißungsvollen Boten bereits im Anmarsch. Ich koche mir einen Nescafe und mache mir ein opulentes Frühstück aus einem Brötchen von gestern und einer Bockwurst und tröste mich damit, dass die Italiener im Grunde genauso spartanisch frühstücken, nur süßer, aber der Kaffee besser schmeckt. Nachdem der Regenschauer vorbei ist lockert sich der Himmel in die Richtung in die ich blicke etwas auf, ist aber nicht die, in die ich gleich fahren muss. Da meine Fähre morgen früh von Moskenes nach Bodo ablegen wird, werde ich im benachbarten A übernachten.
Aber noch bin ich nicht dort, werde aber bis dahin fast durchgehend beregnet als stünde ich unter einer Dusche. Teilweise peitscht der Wind den Regen in kleinen Wellen über die Fahrbahn, ist von den Bergen ringsherum nichts mehr zu sehen. Fast stoisch fahre ich die Straßen ab und von Kilometer zu Kilometer sinkt die Hoffnung irgendwann vielleicht noch einmal so etwas wie blauen Himmel zu sehen oder wenigstens kurz Sonnenschein, damit man von den so gepriesenen Farben mal etwas sehen kann. Mit dem Sinken der Hoffnung steigt der Frust. Ich will hier weg so schnell es geht, am Besten gleich ganz nach Hause. Ab Bodø kann ich "Schnellste Route" in mein Navi eingeben und dann bin ich in ein paar Tagen Daheim. Was nützen mir in diesem Augenblick die erlebte Zeit, die sonnigen Tage die ich bereits hatte, was zählt, so heißt es doch immer, ist das "Hier und Jetzt". Na also, im "Hier und Jetzt" bin ich sauer und gefrustet und will ich nach Hause.
Und dann ist die schlechte Laune irgendwie wieder weg. Erst habe ich mal wieder einen Radfahrer überholt, der sich durch den Regen kämpft und ich mich frage, welchen Frust der wohl schieben muss, dann fahre ich durch eine Ansammlung von dicht an dicht auf mehreren kleineren Felsen verteilten Häusern und gleich nach Verlassen eines Tunnels nochmal eine kleiner Ort, die beide trotz des Regens einen gewissen Charme ausstrahlen. Am besten gefällt mir Reine. Viele Häuser stehen aus Platzgründen auf Pfählen errichtet an der Wasserkante. Überall sind große Gestelle zu sehen an denen bald der Fisch zum Trocknen aufgehängt werden wird. Ich komme in Å an, finde in einem Privathaus eine Unterkunft und blicke diesmal von draußen auf den gegen die Scheiben prasselnden Regen. Bin mal gespannt wie die Überfahrt morgen wird. Die Lofoten habe ich nun leider nicht so kennengelernt wie sie vielleicht mit Sonnenschein aussehen, aber die Lofoten stehen auch für wechselhaftes Wetter und beim Betrachten der Fotos stelle ich fest, dass auch graue Fotos eine Aussagekraft besitzen können. Und dann falle ich auf die Boxspringmatratze. Welch ein Unterschied zur letzten Nacht.
Ich bin auf der Fähre, habe einen Sitzplatz in der ersten Reihe seitlich vorne rechts, für die Seefahrer auf der Steuerbordseite, kann meine Füße ausstrecken und die Rückenlehne in eine halbliegende Position bringen. Das Motorrad ist verzurrt und wird hoffentlich am Ende der Fahrt genauso dastehen wie ich es verlassen habe. Um 7 Uhr ist Abfahrtszeit, bin aber bereits seit halb sechs auf und habe immer noch keinen Kaffee gehabt aber dafür schon wieder Regen. Ich werde gleich, soweit überhaupt möglich, an Deck gehen und nochmal das vertiefen, was die Lofoten für mich waren. Eine nass grün-graue bergige Inselwelt inmitten des Atlantiks. Es ist schade, aber nicht zu ändern. Vielleicht sollte man nochmal wiederkommen und dann auch etwas mehr Zeit mitbringen. Ich hätte hier in Å gerne den großen, nur etwa 100 Meter entfernt liegenden großen See gesehen, vielleicht auch umwandert, denn es hingen atemberaubende, vom Hausbesitzer selbst geschossene Fotos in meiner Unterkunft.
Hafen von Å
Ich verzichte auf einen Gang an Deck denn nass werden möchte ich nicht. Wir sind noch nicht lange aus dem Hafen heraus, da weiß ich warum der neben mir stehende norwegische Motorradfahrer sein Motorrad festgezurrt hat als transportiere er es auf einem Anhänger. Gut, dass ich dachte, wer, wenn nicht ein Norweger, weiß was einen da draußen erwarten könnte und tat es ihm gleich. Wir haben jetzt etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt und ich erinnere mich an die Passage mit dem Postschiff letztes Jahr zwischen Festland und den Lofoten, als es ebenfalls sehr unruhig auf See zugegangen war. Auch jetzt schaukelt die Fähre nicht schlecht, bleiben die Tüten aber in den Boxen, und sind meine Gedanken bei meinem Motorrad. Jetzt spritzt kein Regenwasser mehr gegen die Scheiben, denn es hat tatsächlich aufgehört zu regnen, jetzt ist es die Gischt der Bugwellen. Dann nicht mehr lange und wir durchfahren eine auf der Strecke liegende Inselgruppe, die Wellen werden niedriger und das Festland taucht in einem dunkelgrauen Schleier am Horizont auf.
Die Lofoten haben es dann doch zu einem eigenen Bericht geschafft. Schönheit ist eben individuell und meist eine Sache des Betrachters.
Klicke aufs Bild und du siehst die fortlaufende Route in Norwegen
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