Troms = Tromsø ohne ø

Tag 198ff - Norwegen: Troms, so erklärte mir Heikki vor ein paar Tagen, sei der Bezirk , Tromsø hingegen die Stadt auf der Insel, denn das "ø" stünde für Insel.
Ich hatte mir in Alta auf einem Campingplatz eine Hütte gemietet und bin jetzt auf dem Weg nach Tromsø. Sind zwar knapp 400 km und laut App etwa 6 Stunden Fahrzeit, aber deshalb bin ich auch schon etwas früher los. In Tromsø ist die Auswahl an Hotels größer und außerdem will ich versuchen dort einen Vorderreifen zu bekommen. Ich fahre fast ausschließlich an Ufern von Fjorden entlang, nicht selten durch einen Tunnel, aber immer unter einem strahlend blauen Himmel. Bis 20 Grad wird es noch werden. Ich genieße wundervolle Aussichten und ebensolche Motive. In Olderdalen stehe ich an der Fähre und überlege ob ich außen rumfahren oder die Fähre nehmen soll, wenn sie in 45 Minuten wieder anlegt. Ich entscheide mich gehen die Fähre und brauche für den Weg 2 Stunden und 30 Minuten. Die Fähre wäre um Längen schneller gewesen, aber dann hätte ich nicht diese Eindrücke sammeln können.
Auf der Fahrt zur nächsten Fähre meldet mir mein Handy ständig eine schnellere Strecke, dann habe ich gewonnen und es akzeptiert meine Route kurz vor Erreichen des Fähranlegers. Ich glaube allerdings ein hämisches Lachen aus meinem Handy zu hören, denn die Fähre legt gerade ab, was etwa 45 Minuten Wartezeit bedeutet, aber bin ich auf der Flucht? Und wer zuletzt lacht, der lacht am Besten.
Als Einziger stehe ich mit meinem Motorrad auf dem Parkplatz, aber dafür an erster Stelle und in der Sonne. Ich mache es mir auf meinem Motorrad bequem. Gesessen habe ich heute schon genug, also nehme ich eine leicht liegende Position ein. Augen zu und Sonne ins Gesicht. Plötzlich höre ich von hinten ein näher kommendes Motorradgeräusch. Das Motorrad hält neben mir an, als ich leicht blinzelnd aufblicke. "Hi. How are you?" klingt es aus dem Helm. Eine Frau, blonde Haare. Sie nimmt den Helm ab und ich falle vor Überraschung fast vom Motorrad.
Es ist "Itchy", ein klein wenig meine Inspiration zu meiner Tour. Itchy bereist auf einer "Royal Enfield" allein die Welt und musste aufgrund von Corona ihre letzte Reise in Peru unterbrechen. Bei meinen Vorbereitungen stieß ich auf ihre Seite und war von ihrer Art zu berichten ziemlich angetan, zumal sie letztes Jahr unter anderem die so genannten 5 Stan's bereist hatte, eines meiner eigentlichen Ziele.
Habe einen Vorderreifen bekommen. Vorbestellen in einem Ort der auf der Strecke liegt könnte man machen oder man nimmt, was vorrätig ist. In diesem Fall ein Michelin Anakee Adventure. Keine schlechten Bewertungen, dann kann er auch nicht schlecht sein. Norwegen ist allerdings kein Billigland. Dann frühstücke ich noch an einer Tanke, weil das B&B wegen Corona nur B ist und auf geht es Richtung Lofoten. Grau in grau zeigt sich der Himmel. Keine Auflockerungen in Sicht, aber dafür nur ganz selten ein paar Tropfen Regen. Ich komme an der Fähre Brensholmen-Botnhamn in Brensholmen an und stelle fest, dass die Fähre mal wieder vor 10 Minuten abgefahren ist. Na mal sehn was die Wartezeit diesmal bringen wird. 2 Stunden sind es und so fahre ich auf die Insel Sommarøy. Überall kleine Inselchen um mich herum, wobei Sommarøy selbst eigentlich auch nur ein etwas größeres Inselchen ist, umgeben von kleinen Sandbuchten. Das Wasser schimmert trotz des grauen Himmels leicht smaragdfarben. Muss bei blauen Himmel toll aussehen. Aber vielleicht wird es ja noch was, und überbrücke in einem kleinen Bistro die Wartezeit bei einem. Kaffee und einer Waffel.
Irgendwo weiter weg sehe ich ein paar kleine helle Flecken am Himmel. Vielleicht schafft es die Sonne ja noch. Regenwahrscheinlichkeit liegt allerdings bei 65 %, wobei ich feststellen musste, dass sich nichts hier in Norwegen so schnell zu verändern scheint wie das Wetter.
Die Überfahrt dauert 45 Minuten. Danach fahre ich auf einer schmaleren Asphaltstraße immer am Ufer eines Fjords entlang. Das gefällt mir schon deshalb, weil die Straße nicht den Eindruck einer Verbindungsstraße macht, auf dem schon mal mehr Verkehr ist. Zwischendurch geht es immer mal wieder durch kleine Tunnel, die im Gegensatz zu den an den Verbindungsstraßen mehr grober Natur sind. Aus dem Fels gehauen, an der Decke ein paar Lampen, die diffuses Licht streuen, das die Fahrbahn nicht mehr erreicht und eigentlich mehr den Verlauf des Tunnels markieren als ihn auszuleuchten. Beim Einfahren in einen solchen Tunnel brauchen meine Augen immer erst einen Moment um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Tunnel gleich nach der Einfahrt in eine Kurve übergehen. Das ist dann manchmal wie in ein schwarzes Loch fahren. Ein Pkw fährt diesmal vor mir, was mich beruhigt, denn so brauche ich nur hinterherfahren. Mein Fernlicht hatte beim letzten Tunnel grenzenlos versagt, hatte ich, weil das Licht dermaßen von den dunklen Felswänden "verschluckt" worden war, nicht einmal sehen können, dass das Fernlicht überhaupt eingeschaltet war. Zum ersten Mal verstehe ich, worum die meisten Pkw die ich bis dato in Norwegen gesehen habe vor dem Kühlergrill die reinsten Lichtkanonen haben. Gleißend hell wird der Tunnel, als der Fahrer des Pkw vor mir sein Fernlicht oder vielmehr seine Lichtkanone einschaltet.
Nach einer beschaulichen Fahrt entlang der Küste komme ich in Gryllefjord an. Eigentlich wollte ich hier vor der Überfahrt nach Andernes übernachten, aber der einzige Campingplatz ist saisonbedingt schon geschlossen. Im Ort finde ich auch keine Hinweise, also halte ich an einem kleinen Kiosk an und frage nach. Eine ältere Frau zeigt mir dann ein Haus an dem eine Telefonnummer angebracht sei. Ich gehe hinüber und beginne gerade die Nummer zu wählen da fährt ein Pick-up vor. Es ist der Hausbesitzer und wenige Minuten später habe ich ein kleines Appartement.
Der Wermutstropfen an der ganzen Geschichte ist, dass die Fähre Anfang des Monats ebenfalls saisonbedingt den Verkehr eingestellt hatte. Gott sei Dank muss ich morgen wenigstens nicht bis Tromsö zurück. Es ist zwar ein Umweg und Andernes liegt somit viel zu weit ab vom Weg, aber Whalewatching, so der Hausbesitzer, sei im Augenblick ebenfalls fraglich, denn aufgrund von Corona sei alles heruntergefahren worden, weil einfach keine Touristen da sind. Das ist unter anderem wohl auch der Grund, warum es immer schwieriger wird eine Unterkunft zu finden. Unabhängig davon, was ich unterwegs vielleicht noch finden könnte, könnte ich in Lødingen vielleicht, in Gullesfjord auf einem Campingplatz auf jeden Fall es finden, allerdings sind es dann auch fast 400 km.
In der Nacht hatte es geregnet. Als ich vor die Tür meines Apartments trete, dass sich in einem Anbau des örtlichen Supermarktes, etwa 20 Meter vom Fähranleger entfernt und direkt am Platz, wo sich normaler Weise die Fahrzeuge zur Fähre einreihen befindet, nehme ich nur eine unglaubliche Stille wahr und den Geruch aus einer Mischung aus Salzwasser bzw. Seetang und Schmierstoffen, die u.a. bei Außenbordmotoren bzw. generell Schiffsmotoren Anwendung finden. Die Wolken hängen tief, sehr tief und ich habe das Gefühl in meinem ganzen Leben noch nie so tief hängende Wolken gesehen zu haben. In den Bergen vielleicht, aber hier ich stehe auf 2m ü.N.N. Am meisten graut es mir vor den kommenden etwa zwei Kilometern. Die Straße ist eine Baustelle und besteht aus einer festgefahrenen Schotterpiste, die allerdings bereits gestern schon eine leicht schmierige Oberfläche besaß. Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Mit maximal 20km/h schlich ich auf der noch schlimmer gewordenen Straße entlang, bis ich endlich das rettende Ufer des Asphalts erreicht hatte.
Alter Fähranleger
Tjedlsund-Brücke
Ich fahre durch Finnsnes und sehe ein Schiff der Hurtigruten Reederei, wie es unter der großen Brücke bei Finnsnes durchfährt, so wie ich letztes Jahr Ende Februar. Die Sonne kommt durch und die restliche Fahrt fühlt sich dadurch nicht mehr so lang an. In Lødingen gibt es nur ein teuer aussehendes Hotel und ein Hostel und so fahre ich zum Campingplatz nach Gullesfjord direkt am Fjord gelegen. Umrahmt von einer Bergkette bekomme ich erneut eine Hütte für die Nacht.
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