Lettland

Lettland: Was ich mir für Kaunas vorgenommen, aber dann wegen des Ersatzteilkaufs in Vilnius aufgegeben hatte, hole ich jetzt nach. 2 Nächte Riga. Auch wenn ich vor etwa 10 Jahren im November schon mal hier war, sollte das jetzt keine Reise in die Vergangenheit sein, sondern eine Suche nach neuen, anderen Plätzen.
Es sind einige dabei, wo es nach kurzer Zeit wieder "klick" macht, aber die Stadt hat sich an manchen Stellen auch verändert, sind neue Gebäude entstanden, sind anderseits die Ecken um den Zentralmarkt und den Bahnhof, insbesondere was die Menschen dort betrifft, unverändert geblieben. Aber in welcher Großstadt ist es dort anders. Aber es ist wie auf der Fahrt. Nur wenn man die Hauptstraßen verlässt und sich auf die Nebenstraßen begibt, kann man außergewöhnliches kennenlernen.
Ich habe sehr gut geschlafen. Zu wissen, dass man die gesamte Wohnung mit ihren 7 Zimmern im Grunde für sich allein hat, ist irgendwie beruhigend. Ich lasse mir Zeit, denn die habe ich und so schlendere ich erst los, als die ersten Geschäfte ihre Türen öffnen. Eine Kirche hat ebenfalls schon geöffnet. Ich trete ein und entdecke gleich hinter der Eingangstür eine besetzte Kasse. Ich bin vor Jahrzehnten aus der Kirche ausgetreten und werde jetzt mit Sicherheit keinen Eintritt in eine Kirche, noch dazu in ein Allerweltskirchengebäude bezahlen.
Ich bin auf dem Weg zum Radisson Hotel. In der 26. Etage befindet sich ein Restaurant mit Mega Ausblick, dass dann leider aber erst um 18 Uhr öffnet. Fast unverrichteter Dinge fahre ich wieder runter.
Auf die in der 18. Etage gelegene Aussichtsplatzform der "Akademie der Wissenschaften", einem typischen Gebäude, das man in allen größeren sowjetischen und ehemals sowjetisch besetzten Städten vorfindet, komme ich nur für 6 Euro oder durchs Treppenhaus. Der Fahrstuhl geht nur bis zur 15. Etage. Im Radisson ist das Ausblick umsonst, zumindest vom Männer-Klo aus.
Wieder unten angekommen esse ich in der kleinen Kantine für sehr schmales Geld zu Mittag. Nachdem ich im Radisson für einen Cappuccino 3,80 Euro bezahlt hatte bekomme ich hier ein ganzes Mittagessen für weniger. In einer Kantine, die noch den sowjetischen Charme des Sozialismus ausstrahlt und in einer Gegend, wo Menschen auf dem Rasen vor dem Gebäude im Schatten schlafen, die vermutlich nicht mal 5 Euro pro Tag haben. Vielleicht habe ich mit meinen 6 Euro Eintritt ja was Gutes getan, bilde ich mir ein und gehe zurück über den Zentralmarkt. Die beiden T-Shirts, nach einem halben Jahr brauchte ich mal was Neues am Körper, kaufe ich aber lieber im Shopping-Center.
Ich habe mir angewöhnt in größeren Städten Unterkünfte so nah wie möglich im Zentrum zu buchen bzw. zu suchen. Es hat fast nie geklappt, dass ich irgendwo bereits am frühen Nachmittag eintraf, sondern oftmals erst gegen frühen Abend eingetroffen bin. Warum also erst noch lange Wege in Kauf nehmen um von der Stadt, meist Altstadt noch etwas sehen zu können, geschweige denn es mit dem Abendessen zu verbinden.
Dank Corona, so muss man das schon fast sagen, habe ich selbst in der Hochsaison meistens kein Problem auch eine günstige Unterkunft zu finden, wobei günstig von Land zu Land schon ein dehnbarer Begriff sein kann. Hier in Riga jedenfalls habe ich mich über booking.com informiert, vor Ort dann aber gebucht und 5 Euro gespart, was darüber hinaus auch den Hotelier erfreute. Ich wohne mitten in der Altstadt von Riga in einem renovierten alten Stadthaus und für 25 Euro in einem top Zimmer, zwar mit einem von zwei Gemeinschaftsbädern, aber in einer Wohnung in der ich z Zt. allein bin. Die Wohnung hat unterschiedlich große sieben modern eingerichtete und top in Schuss befindliche Zimmer, einige auch mit Bad, und kosten je nach Jahreszeit bis zu 50 Euro. Moderne top gepflegte Küche mit gefülltem Kaffeevollautomaten und Esstisch inklusive. Der einzige Nachteil ist, dass sich die Wohnung in der 3. Etage ohne Fahrstuhl befindet. Wenn ich nochmal nach Riga kommen und ich noch keinen Sessellift benötigen sollte, dann hier. Zimmer Nummer 5 kann ich für Pärchen nur wärmstens empfehlen. Für mich allein zu groß und was soll ich mit einer Eckbadewane? Genug der Werbung, aber das war mir mal ein Bedürfnis. Vielleicht, fällt mir dazu ein, hätte ich mir mehr Notizen von den jeweiligen Unterkünften machen sollen. Und dann? Dann hätte ich jetzt Notizen von über 100 Unterkünften - richtig, die Zeit an der Algarve muss man abziehen.
Ich sitze gegenüber in einem kleinen, feinen Restaurant und gönne mir ein etwas exklusiveres Abendessen. Der erste Gang sieht allerdings so aus, als würde ich später mit nur halb vollem Magen wieder gehen, aber warten wir es ab. Es ist so etwas wie "darauf lass uns einen trinken!", denn ich habe heute im Internet gelesen, dass Finnland ab Montag, also in vier Tagen, wieder für bestimmte Länder, darunter Deutschland, Grenzkontrollen einführen, aber ein Grenzübertritt zwischen Estland und Finnland weiterhin ohne Kontrolle stattfinden wird. Zeitlich lag ich also auf der Höhe und war es richtig Gas gegeben zu haben. Grenzen zwischen Deutschland und Finnland gibt es gegebenenfalls nur am Flughafen oder Hafen. Der Landweg steht mit also offen.
Ich finde, dass das ein guter Grund ist sich bei einem gepflegten Bierchen auch ein gepflegtes Abendessen zu gönnen. Am Sonntag nehme ich trotzdem die Fähre, denn ich will zuvor noch nach Kirkenes und dann zum Nordkap.
Ein letzter Kaffee aus dem Vollautomaten, den Schlüssel in die Schlüsselbox geworfen und los geht es Richtung Estland. Der Plan ist zwar am Abend in Pärnu sein zu wollen, fahre aber erst einmal weiter Richtung Osten. In Sigulda besichtige ich die ehemalige und teilweise gut rekonstuirte Bischofsburg Turaida. Von Krimulda, einer Burgruine in der Nähe, ist dann wie beschrieben wirklich nicht mehr viel zu sehen und ich fahre weiter nach Skalupes. Dort ist 2003 ein Sowjetbunker entdeckt worden, den man besuchen kann. Als ich dort eintreffe habe ich erst einmal Schwierigkeiten ihn zu finden. Dann stellt sich heraus, das der Zugang über die Eingangshalle des dortigen Reha-Zentrums erfolgt. Die nächste Tour findet erst mehr als 1,5 Stunden später statt und so fahre ich nach Cesis, in dem ich enge Gassen, Holzhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert, eine Burg und ein neues Schloss und die Johanniskirche vorfinden solle. Die Zeit ist zwar knapp und sicher kann man sich in Cesis wundervoll aufhalten, aber ich habe mir wohl zuviel versprochen, bzw. sah ich das Schloss und die angrenzende Burgruine und auch die Kirche und ein paar Holzhäuser, das reichte mir aber auch schon. Ich will die Bunkerbesichtigung nicht für einen längeren Aufenthalt verpassen. Rechtzeitig bin ich wieder zurück.
9 Meter unter der Reha-Klinik befindet sich ein in 60er Jahren in Zeiten des "Kalten Krieges" errichteter Bunker der für eine Belegung von maximal 250 Funktionären und Mitarbeitern konzipiert worden ist. Im Gebäude darüber, das heute die Rehaklinik beherbergt und das sich augenscheinlich noch immer im gleichen Ausstattungszustand der damaligen Zeit befindet, machten die Familien dieser Funktionäre Urlaub, war der Bunker selbst aber nur den Funktionären vorbehalten. Er enthielt neben den Wohn- und Arbeitsräumen eine Kantine, Funkräume, eine Art "Führerbunker" in dem eigentlich nur noch die Zinnsoldaten fehlen, denn von hier sollten im Kriegsfalle Einheiten verschoben werden, sollte Krieg geführt werden. Das erstaunliche an diesem Bunkers ist seine Ausstattung. Er ist augenscheinlich komplett eingerichtet, nichts ist mit in Uniformen steckenden Schaufensterpuppen dekoriert. Da liegen in den Räumen der Luftaufbereitung noch riesige Filter, so als seien sie gerade erst demontiert worden oder in einem Aufenthaltszimmer Zeitschriften von damals.
Eingang zur ReHa-Klinik
Mir ist die Zeit davon gelaufen und deshalb schaffe ich es nicht mehr bis Pärnu. Kurz vor der Grenze nach Estland finde ich ein Hotel.