Rumänien

Tag 175 ff - Rumänien: Als ich im September letzten Jahres  wegen meines Unfalles in der Ukraine an dem Tag im Krankenhaus lag, als eine geplante Rumänienreise ohne mich starten musste, ahnte ich nicht, dass ich sie in Teilen so schnell werde nachholen können.

Die Grenze hatte ich ohne Probleme passieren können, ja man hat noch nicht einmal einen Ausweis verlangt, aber für die nachfolgenden Grenzübergänge wird es eng. Sehr eng. 

Mal sehen, ob ich heute morgen noch einen Abstecher zum Schwarzen Meer hinbekomme. Nördlich von Constanza, wo ich die Nacht verbracht habe, könnte es, soweit ich es auf Google Maps erkannt habe, kilometerlange naturbelassene Sandstrände geben. Die mehr als eine Stunde Umweg nehme ich gerne in Kauf. Ich komme nördlich von Constanza durch eine weitläufige Lagunenlandschaft und fahre an ausgedehnten großen Industrieanlagen, Ölraffinerien und Siloanlagen vorbei. Ich habe dein Eindruck, als sei das Gebiet nur zum Zwecks der Industrieansiedlung angelegt worden. Irgendwann komme ich auf einen einspurigen Betonplattenweg der durch weit einsehbares Gelände verlegt ist. Vom Schwarzen Meer ist aber noch nichts zu sehen. Ich fahre an einer verfallenen Industrieanlagen vorbei, gleich angrenzend ein relativ gut aussehendes Restaurant und wenige Meter weiter Schotterweg und überlaufende Müllcontainer. Und dann ist auch der Plattenweg zu Ende und ich erkenne, warum mein Navi für relativ wenige Kilometer mehr Zeit als normal ansetzt. Sandwege. Ich lasse ein paar SUVs vorbei und versuche mein Glück. Keine 500 Meter später gebe durchgeschwitzt auf. So schön kann kein Strand sein, dass ich mich dafür hinlege. Als ich dann endlich gewendet habe und wieder auf der Betonbuckelpiste bin, kommen mir sogar zwei Fahrzeuge mit Wohnwagen entgegen. Wäre sicher ein gutes Ziel gewesen, aber nicht um jeden Preis. Also dann Richtung Bukarest. Obwohl ich keine Autobahn fahre, geht es die etwa 250 Kilometer streckenweise fast nur geradeaus durch relativ flaches Land, das abgeerntet, die Kornkammer Rumäniens sein könnte.

Nördlich von Bukarest erreiche ich mein Hotel gerade noch trocken, bis kurze Zeit später ein kleineres Gewitter für Abkühlung sorgt.

Es hat auch in der Nacht ordentlich geregnet und so wundert es mich nicht, dass es nur 21 Grad sind, als ich um 8.30 Uhr weiterfahre. Das Hotel war ohne Frühstück und das Restaurant nebenan macht erst um 10 Uhr auf. Laut Navi sind es bis Sibiu sechs Stunden denn ich will die Transfagarasan fahren. Also muss ich früh los. Gefrühstückt wird unterwegs. Die ersten 120 km, es lässt sich fast nicht vermeiden, fahre ich auf der Autobahn und ab Piteski Landstraße. Nach ca. 70 km Fahrt durch anfangs kleinere Dörfer, deren Häuser wie Perlen an einer Kette gereiht am Straßenrand stehen, komme ich nach kurzer Fahrt durch einen Tunnel an einen Stausee. Ein paar Buden, zahlreiche fotografierende Fußgänger auf der Mauer und jede Menge Pkws erwarten mich. Bevor ich aber nach rechts über die Mauer fahre, dem Beginn der Transfagarasan, geht links ein Tunnel ab zu einer Straße, die rechtsseitig am Stausee vorbeiführt. Ich fahre in den Tunnel, lasse vier entgegenkommende Quads passieren und fahre dann auf einer buckeligen Fahrbahn, die ein gestampfter Lehmboden sein könnte durch den Tunnel und am Ende auf einer Schotterpiste ein paar hundert Meter weit, dann drehe ich um, denn mein eigentliches Ziel ist eine andere Strecke. 

Geht es anfangs auf teilweise schlechtem Asphalt durch bewaldetes Gebiet in zahlreichen Kurven mit moderater Steigung am Stausee entlang, von dem man jedoch selten etwas zu sehen bekommt so dicht stehen die Bäume, öffnen sich die Berge nach etwa 30 Kilometern, die Steigung nimmt zu und die Bäume werden weniger, bis sie dann ganz verschwunden sind. 

Ich bin fasziniert, überwältigt aber auch tief berührt beim Anblick dieser Bergwelt. Es ist relativ viel los auf der Straße. Das Schöne ist, dass Pkws eigentlich fast gar nicht überholen können, so gibt es immer einen, der den Verkehr aufhält und dafür sorgt, dass bis zur nächsten Gruppe mit einem langsamen Fahrer vorweg, sich immer eine schöne Lücke bildet, die man sich aber erst einmal erobern muss. So geht es bis zum Pass in ca. 2500 Meter Höhe. Nur noch ein Tunnel und dann...


Am Ende Stau, verbunden mit dem Geruch von Popcorn und anderem Gerüchen erahne ich bereits, was mich hinter dem Tunnel erwarten wird. Was dann kommt, dafür hat meine Fantasie allerdings nicht ausgereicht. Auf einer Anhöhe stehen ein paar Häuser, drum herum kleine Buden. Buden auch am Straßenrand und Autos, Autos und nochmal Autos und dazwischen Menschen Menschen und nochmals Menschen. Es geht nichts mehr. Hier bleibe ich keine Minute. Durch die sich stauende Fahrzeuge hindurch suche ich mir einen Weg und etwas weiter geht es bereits wieder runter. Irgendwo wird man einen Ausblick haben. Und dann drücke ich mich und mein Motorrad an einer schmalen Stelle an den gleich danach steil abfallenden Straßenrand und habe meinen Blick. Ein Bild, dass mich ans "Stilfser Joch" erinnert.

Vor mir eine riesige, weit geöffnete Schlucht in der sich in unzähligen Kehren die Straße bis weit ins Tal hinunterschlängelt. Die allgemeine Sicht könnte etwas besser sein, denn es ist diesig und immer wieder ziehen Wolken durch die Schlucht, lässt sich die Sonne nur selten sehen, aber ich bin hier, es ist trocken. Langsam löse ich mich von diesem genialen Blick und mache mich auf den Weg raus aus den Karpaten und nach Sibiu. Sibiu oder auch Hermannstadt wurde 2007 Kulturhauptstadt. Ich finde ein Hotel und gehe anschließend in die Altstadt.

Ich sitze in einem Restaurant in der Fußgängerzone, in dem ich vor einigen Jahren schon einmal gesessen hatte, als ich mit den Blue Knights auf einer Go-East-Tour unterwegs war. Nach der Erfahrung an der türkisch-bulgarischen Grenze lese ich fast täglich die App des Auswärtigen Amtes und habe gerade erkannt, dass es langsam eng wird mit meiner Tour. Ich wusste, dass ich auf meiner Fahrt in den Norden nur einen engen Korridor haben werde, denn nach Osten sind die Grenzen zur Ukraine und Moldawien dicht und nach Westen hat sich der Balkan in den letzten Wochen zu einem Corona Hotspot entwickelt, bzw., schotten sich andere, insbesondere umliegende Staaten gegen Einreisende aus dem Balkan ab. Vor zwei 2 Tagen hat Ungarn alle Staaten in grüne (geringes Risiko), gelbe (mittleres Risiko) oder rote (erhöhtes Risiko) Staaten eingeteilt und Rumänien damit zur gelben Zone erklärt.

Eine Durch- und Weiterreise für aus Rumänien kommende sei nur unter Auflagen gestattet. So wird man bei mir eine Gesundheitsüberprüfung durchführen und mich beim kleinsten Verdacht wieder zurückschicken. Des weiteren muss ich meinen Reisezweck ins Zielland nachweisen, muss die Weiterreise ins Zielland gesichert sein, darf die vorgeschriebenen Reiseroute grundsätzlich nicht verlassen werden und muss ich innerhalb von 24 Stunden Ungarn wieder verlassen haben. Sollte eigentlich alles klappen, dennoch komme ich mir vor wie in einem großen Labyrinth in dem ich immer gucken muss, wo ich gerade langfahren kann. Alternativ gäbe es den Umweg über die Ukraine in die Slowakei, aber das ist noch unsicherer und erfahrungsgemäß mit langen Wartezeiten verbunden.

Ich habe wegen der sich verschlechternden Situation an der ungarischen Grenze unruhig geschlafen. Da die Infektionszahlen überall ansteigen, muss ich damit rechnen, dass Rumänien in ein paar Tagen vielleicht sogar als "rot" eingestuft werden könnte. Jeder Tag den ich länger in Rumänien bleibe könnte den Sack weiter zumachen. Ich möchte heute noch so nah wie möglich an die ungarische Grenze.

Einen Umweg nach Schässburg mache ich dennoch. In Schässburg soll Dracula gelebt haben und das Städtchen selbst in einem fast einwandfreien mittelalterlichem Zustand sein. Da ich noch nicht gefrühstückt habe, bietet sich also auch an, dies dort nachzuholen. Nach knapp zwei Stunden muss ich aber los, denn mein Navi setzt für die Fahrt nach Satu Mare, wenige Kilometer vor der Grenze, 6 Stunden an und es ist schon Mittag. Unterwegs will mich mein Navi auf eine Schotterpiste schicken und verliere auf der Fahrt zur Umgehung ungewisser Straßenverhältnisse unnötige Zeit, die ich dann aber aufgrund der überwiegend leeren Straßen und guten Straßenzustände wieder herausholen kann.

Nach fast 7 Stunden im Sattel sitze ich im Biergarten des Hotels und trinke mein wohl verdientes Lederbier.





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