Albanien - wie ein Burgherr

Albanien: Was dem Kosovaren, respektive dem jungen Mann in Pristina der Golf, ist dem Albaner der Mercedes.
Nachdem ich die von der Grenze Richtung Tirana führende Schnellstraße verlassen habe und auf einer kleineren, schlechteren und kurvigeren Straße in die Berge fahre, begegnen mir gefühlt was nur Mercedes Limousinen. Es scheint das Statussymbol des Kosovo-Albaners zu sein.
Auch scheint es mehr Autowaschanlagen als Tankstellen und mehr Läden für Autozubehör und Ersatzteile als Lebensmittelgeschäfte zu geben. Motorräder hingegen sehe ich fast keine. Hätte ich aber alle mir auf meiner Fahrt entgegengestreckten Hände abgeklatscht, dann wären meine am Abend voller Blasen gewesen. Die Landschaft ist, wenn man den Blick in die Ferne richtet wunderschön, denn auch hier wirft man seinen Müll nicht selten in die Gegend. Hin und wieder komme ich durch kleinere Dörfer, eher eine Ansammlung von selten mehr als 10 Häusern, die zudem oft noch ärmlicher aussehen, als es mir zum Beispiel in Serbien schon aufgefallen war. Nicht selten sind die Dächer aus verrostetem Blech und der Putz an vielen Stellen, wenn denn überhaupt welcher drauf war, abgefallen.
In Peshkopi, dem ersten größeren Ort nach Verlassen der Schnellstraße 1,5 Stunden zuvor, finde ich auch einen Bankautomaten, denn die Tankstellen auf der Strecke nehmen nur Bares und auch der Kaffee oder die Cola wollen bezahlt werden.
Festung Kruja
Mehr zufällig und auf der Suche nach einem Hotel, fand ich im Internet eine kleinere Unterkunft auf der Festungsruine in Kruja sehr interessant, weil historisch gesehen, es sich bei der Ruine um das Heiligtum der albanischen Nation handelt. Der Nationalheld Skanderbeg hatte das Fürstentum Kruja nicht nur von den Osmanen befreit, sondern durch den Ausbau Krujas zur Festung auch bis zu seinem Tod 1478 die Wiedereinnahme verhindern können. Nach seinem Tod war Kruja und ganz Albanien 400 Jahre von den Türken besetzt.
Diese Unterkunft wäre toll, wenn ich es bis dahin schaffen sollte., denn dafür müssten 270 km und ein Großteil davon durch die Berge absolviert werden. Als ich aber trotz Pause relativ gut durchkomme und am Nachmittag bereits in Burrel eintreffe, wo ich mir bereits eine Alternativunterkunft ausgesucht hatte, entscheide ich mich weiterzufahren. Nach weiteren 90 Minuten und 80 km, ich nehme die längere aber dafür schnellere Variante, die mich trotzdem über zwar teilweise sehr holprige aber dafür landschaftliche schön gelegene Straßen führt, treffe ich am frühen Abend auf der Festung ein.
es gab einen kurzen Moment, in dem ich überlegt hatte...
Ich platze, da ich nicht reserviert hatte, in eine unter den wenigen Bäumen sitzende Trauergemeinschaft. Der Großvater war am Tag zuvor gestorben. Nachdem mir einer seiner beiden Enkel die Räumlichkeiten gezeigt hat, genieße ich bei einem Bierchen die grandiose Rundumsicht und den Blick bis ins 20 km entfernte Tirana und beschließe spontan hier eine weitere Nacht zu verbringen.
Es sind nur wenige Zimmer und es ist nur wenig Platz für ein paar kleine Restaurants eher neben, als mitten zwischen den Mauerresten ehemaliger Gebäude, umgeben von den Resten der alten Festungsmauern und im Angesicht des einzigen noch stehenden Turms. Durch Corona sei ich der einzige Gast erfahre ich und auch die Tische in den Restaurants sind leer. Auf dem steilen Weg zur Ruine war ich im unteren Teil an mehreren Verkaufsständen vorbeigefahren und auch dort standen mehr Inhaber der Souvenirläden als Touristen.
Die kleine Unterkunft hat ein paar Tische auf der kleinen verwinkelten und lauschigen Terrasse. Ich nehme an einem Tisch Platz, der wie eine kleine Aussichtsplattform an einem Berg, an der steilen Abbruchkante der alten Festungsmauer steht und blicke wie ein Burgherr bis ins entfernte Tirana. Nach dem Abendessen, die Sonne geht hier bereits um 20.30 Uhr unter, tausche ich meinen Platz und sitze erhöht auf der entgegengesetzten Seite des Hauses mit uneingeschränktem Blick bis zum Meer in dem wenig später die Sonne versinkt.
Ja, hier ist es schön, hier werde ich verweilen.
Mein Frühstück nehme ich am gleichen Platz ein wie am Abend zuvor während des Sonnenuntergangs. Jetzt sehe ich, dass es sich bei der Terrasse um den Sockel eines ehemaligen, dem erhaltenen Turm gegenüberstehenden Pendant handelt. Ich weiß, dass die Festung Mitte des 17. Jahrhunderts durch ein Erdbeben zerstört worden ist. Weil ich mich wundere, dass man auf einem solch historisch bedeutsamen Gelände eine zwar kleine und auch architektonisch passende Pension errichten konnte, frage ich den jungen Mann vom Abend zuvor.
Bei der Festung habe es sich vor ihrem Ausbau durch Skanderbeg, um eine kleine mittelalterliche Stadt gehandelt, in der seine Vorfahren ein Haus besaßen, auf dessen Grundstück nun die Pension stehe. Nach dem Erdbeben sei ein neues Haus errichtet worden und sein vor zwei Tagen verstorbener Großvater habe das Haus dann zu einer Pension mit insgesamt nur 11 und damit einzigen Zimmern auf der Ruine ausgebaut. Er selbst sei auch hier geboren worden, wohne aber im Ort unterhalb der Ruine.
Ich werde mein Abendessen wieder an diesem historischen Ort einnehmen und dabei den Sonnenuntergang vor Augen haben.
Nun möchte ich aber etwas vom Ort sehen und mache mich auf den Weg nach unten, schlendere durch den Touristen-Retro-Basar und anschließend wieder zurück, um mir den Nationalhelden Skanderbeg im gleichnamigen Museum auf dem Gelände der Ruine etwas näher zu bringen.
Aus einer Wiederholung des Sonnenunterganges vom Vorabend wurde dann leider nichts. Ein Gewitter erster Güte verhagelte den Abend. Die für morgen geplante Route über Schotterpisten werde ich mir damit wohl auch ersparen können.
Skanderbeg-Museumim Hintergrund meine Unterkunft - ganz klein mein Motorrad
Im Eingang Skanderbeg (der mit der Ziege auf dem Kopf) und seine Mannen
Vor dem Tisch mit rotem Samt stehen dann ehrfurchtsvoll die Besucher