Kroatien

Kroatien: Slowenien erscheint mir wie Brandenburg, das von Rainald Grebe im Lied "Brandenburg" beschrieben wird. Man fährt nur durch. Oder hält an einer Mautstelle. Meistens jedenfalls. Ich will auch nicht bleiben sondern nach Kroatien, nehme trotzdem die Nebenstraßen, werde aber auch in Kroatien nicht lange bleiben.

Ich bin gefragt worden, ob ich da wo es schön ist Pausentage einlegen werde. Nun, auf Kroatien bezogen, ist nur ein Pausentag geplant. Kroatien ist ein schönes Urlaubsland und ich habe schon einige Urlaube dort verbracht und wunderschöne Orte wie Zadar, Sibenik, Trogir, Primosten, den Plitvicer Nationalpark, die Insel Hvar, Rab oder die Halbinseln Istrien und Murter kennengelernt und bin dabei bis nach Split gekommen und der zweite Urlaub meines Lebens ohne Eltern ging ins damalige Jugoslawien. Da das Wetter nicht mitspielt kommt zum größten Teil auch das, was Kroatien ganz besonders schön macht, die Natur, die Farben des Himmels und der Adria und die felsige Küste nicht wirklich zur Geltung. Wenn es trocken bleibt, dann ist Kroatien aber auch ein Land zum Motorrad fahren und daher ist das für mich im Augenblick das Schönste, bietet Kroatien zur Zeit fast hervorragende Bedingungen, insbesondere im Hinterland. Touristisch hat dieses, außer den beiden Nationalparks und einer ansonsten wundervollen Landschaft nicht viel zu bieten und so ist Dubrovnik der einzige Ort, wo ich einen Stopp eingeplant habe. 

unterwegs im Hinterland

Ich verabschiede mich bei relativ gutem Wetter von Marita, Arnold, Katrin und Thorsten, fahre zur Werkstatt nach Kirchbach und schon knapp zwei Stunden später über den Nassfeldpass nach Italien. Schon von weitem sehe ich, dass ich nicht trocken bleiben werde und nehme die Autobahn. Als ich mich dem Ende eines der Tunnel nähere sehe ich schon die Wassermassen die dieses Gewitter hervorbringt und halte noch im Tunnel auf dem Standstreifen an und warte ab bis es weniger wird. Etwa 40 km vor Triest reißt der Himmel auf. So könnte es bleiben.

Eigentlich hatte ich gehofft bis nach Kroatien kommen zu können, aber das "Castello di Miramare" liegt auf dem Weg und will besichtigt werden. Erbaut 1856-1860 von Erzherzog Ferdinand Maximilian von Habsburg und Kaiser von Mexiko von 1864-1867. Die Mexikaner hatten aber keinen Bock auf Kaiserreich und haben ihn hingerichtet.

Castello di Miramare

Nachdem ich in Triest ein Hotel gefunden habe verzichte ich auf einen größeren Bummel und bleibe in der Nachbarschaft. In einer kleinen Kneipe mit unterschiedlichen, auch deutschen Biersorten, eher untypisch für Italien wie mir gesagt wird, bleibe ich hängen. Musik von den Dire Straits und Co läuft und ich komme in dem schwach besetzten Lokal schnell mit Bruce, dem Wirt ins Gespräch. Sein Vorname war auch Ideen- und Namensgeber für sein Lokal "E street Bier". Neben einem rustikalen Interieur hängen an einer Wand sämtliche Cover der von Bruce Springsteen produzierten Alben. Zum Schluss muss ich noch zwei kräftige Absacker auf Kosten des Haues trinken und wünscht mir Bruce für meine weitere Tour alles Gute. Später erfahre ich im Hotel, dass seine Frau vor wenigen Woche an Krebs gestorben sei.

Ich komme gerade noch rechtzeitig im Hotel an, als ein Gewitter über der Stadt losbricht. Ich kann es nicht glauben, ich kann den ganzen Abend mal wieder nicht glauben.

Nach diesem wieder einmal erlebnisreichen Tag, der eigentlich noch in die Rubrik Italien gehört, geht es jetzt weiter Richtung Balkan. Ich glaube, dass ich, von Hoffnung getragen, der Einzige wäre der davon ausgeht, es könnte nicht mehr regnen. Die Hoffnung stirbt. So geht es über Nebenstraßen zur ersten Grenze des Tages und was ich erhofft hatte trat langsam ein. Die trockenen Abschnitte wurde länger. Ich halte an diesem kleine Grenzübergang bei Osp und möchte ein Foto machen. Während ich den Selfie-Stick vorbereite hält ein Kleinwagen und ein älterer Mann steigt aus und fragt mich "Brauchst Du Hilfe?" Ich lächle verneinend, denn freundlicher kann man nicht empfangen werden. Als der Wagen weiterfährt sehe ich, dass er ein kroatisches Kennzeichen hat, aber ist das nicht wirklich egal? 

An der slowenisch-kroatischen Grenze sieht es da schon anders aus. Zu beiden Seiten eines Streifen Niemandslandes, auf dem auch das gemeinsam genutztes Grenzhäuschen steht, befindet sich ein hoher Zaun, den oberen Abschluss bildet eine Rolle Nato-Draht. Der slowenische Beamte winkt gelangweilt ab, als er meinen Reisepass sieht, der junge kroatische Beamte, dienstbeflissen aber freundlich, der mitbekommen hatte das ich Deutscher bin, nahm meinen Ausweis zur Kontrolle mit in sein Büro. 

ausrangiert

Ab Rijeka wird der Himmel freundlicher. Ich entschließe mich daher nun doch durchs hochgelegene Hinterland zu fahren und nicht durch Rijeka. Es war eine gute Entscheidung. Als ich einige Kilometer vor Senj, wo ich die nächste Nacht verbringen werde, das Meer sehe, die Temperaturen in den höheren Lagen zwar noch um die 16-18 Grad liegen, kann es besser nicht sein. Insgesamt sind die Temperatguren, gelegentlich auch mit Spitzen von 25-27 Grad auch viel angenehmer, als weit über 30 Grad. Was sich bis zum Abend aber wieder ändern sollte.

kleine Pause

und es gibt sie doch, die blaue Adria

Ich öffne den Vorhang und muss wieder einmal feststellen, dass der neue Tag so beginnt, wie der vorherige geendet hat. Nass und grau.
Ich komme mir langsam vor wie in einem falschen Film. Eigentlich müsste ich mich wenigsten in einer Nebenrolle in "Sex and drugs and rock n' roll" befinden, der englisch /amerikanischen Adaption von "Wein, Weib und Gesang". Wenn mir aber schon bei sphärischen Klängen keine gut aussehenden Damen den Geist des Weines kredenzen, also schon nix ist mit "Himmel auf Erden", dann doch wenigsten ein ganz klein wenig paradiesisches Wetter.
Hinter Senj fahre ich in die Berge und nicht lange, da hört wenigstens schon mal der Regen auf. Von Gospic kommend fahre ich bei 14 Grad über den Pass und sehe unter mir Karlobag und ein wenig blauen Himmel über der ansonsten gräulichen Adria.
Als ich das letzte Mal hier war, war es so heiß, dass man im T-Shirt hätte fahren können und ein älterer Motorradfahrer am Pass sogar einen hitzebedingten Schwächeanfall hatte. Immerhin sind es in Karlobag 20 Grad. Was will man mehr. Aber was dann kommt ist fast ein klein wenig "Sex and drugs and rock n´roll", ist quasi "endgeil".
Ich habe fast 40 Kilometer allerfeinsten Asphalt auf der kurvenreichen, teilweise nur wenige Meter über dem Meeresspiegel verlaufenden Küstenstraße in Richtung Süden für mich allein. Gelegentlich kommen mir Motorradfahrer, einzeln oder in kleinen Gruppen entgegen, aber keine Sonne die blendet, kein Auto vor mit, kein Wohnmobil das man überholen müsste. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden ignoriert, machen keinen Sinn, verlieren selbstherrlich, auch angesichts der geschlossenen kleineren Pensionen und Appartementhäuschen am Straßenrand ihre Bedeutung. Das könnte, das wird sich vermutlich bald ändern. Kurvenfahren wie Gott in Frankreich. Also doch ein Stück Himmel auf Erden. 

Um es gleich vorweg zu nehmen, der nächste Tag ist wolkenverhangen und teilweise sehr windig und kurz vor Split beginnt es zu regnen. Die Temperaturen sind jedoch in Wohlfühlhöhe und weil die Adria bei total bewölktem Himmel auch nur aussieht wie jedes andere grau wirkende Meer und ich die Küstenstraße bis Split schon kenne, fahre ich durchs Hinterland über kleine, manchmal schmale Straßen und durch sehr kleine Dörfer. In einigen von ihnen sind bis heute die Spuren des Bürgerkrieges zu sehen und manchmal ist gefühlt die Hälfte der Häuser unbewohnt, ja unbewohnbar gemacht worden. Es ist ein beklemmendes Gefühl wenn man bedenkt, dass dort einmal Menschen lebten und vertrieben oder gar getötet worden sind. In den verwilderten Gärten blühen vereinzelt Sommerblumen aber die Häuser, von denen man scheinbar alles wieder verwertet zu haben scheint, wirken durch die fehlenden Fenster, Türen und Rahmen wie riesige Totenschädel.

Adria hinter Split

Der Krka-Nationalpark mit seinen Wasserfällen wäre eigentlich ein lohnendes Besichtigungsziel und liegt auch auf meinem Weg, aber ich kenne den Plitvicer Nationalpark mit seinen Seen und Wasserfällen und werde mir daher, bis auf die Klosterinsel Visovac, die Krka nur von oben ansehen. Ich erreiche die Anlegestelle zur Klosterinsel und stelle fest, dass ich offenbar die stündlich verkehrende Fähre um wenige Minuten verpasst habe. Über eine Nebenstraße, die mit Sicherheit selten und schon gar nicht von Bussen befahren werden dürfte sehe ich vielleicht 2 km vor dem Haupteingang des Nationalparks die eingezäunten Ruinen einer Fabrikanlage. An offenbar strategisch wichtigen Stellen stehen kleinere Bunker mit Schießscharten am Wegesrand. Als ich dann den vollen Parkplatz am Haupteingang erreiche und einige Busse sehe, beschließe ich einen Gedanken umzusetzen.

Klosterinsel Visovac

Durch unwegsames Gelände nähere ich mich einer vermuteten Aussichtsmöglichkeit und erreiche einen kleinen Bunker mit aufgesetzter Halbkugel und Schießscharten, dem man Antennen und sonstiges, sicher militärisch genutzt aufgesetzt hat. Von dort oben habe ich einen tollen Ausblick auf den Nationalpark und sehe auch zwei Wasserfälle. Ich sehe aber auch die Ruinen der Fabrik und, dass sie offenbar bis an den Rand des Canyon reichen, von meinem Standort aber nicht erreichbar sind.

Soweit es geht fahre ich anschließend an verschlossenen Toren, rostigen Zaunanlagen und verfallenen, außerhalb des Gelände stehenden Gebäuderuinen vorbei und finde tatsächlich eine Durchlassstelle. Im Zickzack-Kurs geht es meiner Reifen wegen über die alten, teilweise verwachsenen Weges des ehemaligen Betriebsgeländes vorbei an Schutt, Glas und dergleichen mehr und stehe dann mitten zwischen den Gebäuden. Dann noch ein kurzer Weg durch das Gestrüpp und ich stehe an einem völlig alleinstehenden, verfallenen Häuschen in der Größe eines Wärterhäuschens und habe fast den ganzen Nationalpark vor und unter mir.

Anschließend darf eine Erkundung dieses "lost place" natürlich nicht fehlen, werde aber nicht herausfinden können was er einmal war, er aber aufgrund der Verteidigungsbauten offenbar eine besondere Bedeutung gehabt haben muss.

Eigentlich will ich nicht nach Split, aber das Vorderrad meines Motorrades scheint immer noch nicht ganz in Ordnung zu sein und so erhoffe ich mir von einem in Split ansässigen BMW Motorradhändler mit Werkstatt Auskunft und Hilfe. Ich fahre über einen abenteuerlichen Schotterweg durch ein Tal in dem vereinzelt Häuser stehen, frage mich wie man dort wohnen kann und werde von einem kleinen Regenschauer erwischt. Kurz danach überquere ich auf einem kleinen schmalen und zudem steilen abwärtsführenden Weg den Bergkamm des Split umgebenen Gebirges und blicke auf die entfernte Skyline von Split. Nein, ich habe keine Lust auf Split und Großstadt. Es ist früher Nachmittag als ich dort eintreffe und trotzdem hat der Laden geschlossen. Später erfahre ich, dass heute in Kroatien Feiertag ist "Tag des antifaschistischen Kampfes". Muss man erstmal drauf kommen. 

Ich hätte nur dann in Split übernachtet, wenn es sich mit einer möglichen Reparatur hätte verbinden lassen, so aber fahre ich weiter. Da mit bereits aufgefallen ist, dass durch Corona in Kroatien noch vieles nicht wieder geöffnet hat, in kleineren Ortschaften eigentlich fast gar nichts los ist, Makarska, als eine kleine aber überschaubare Touristenstadt in der Planung zumindest als ein Ort des Anhaltens wert gewesen war, entschließe ich mich dort mein Glück zu versuchen. Ich finde ein preisgünstiges Studio und verbringe den lauen, aber zeitweise in Böen sehr stürmischen Abend mit vereinzelten Regentropfen am Hafen sitzend.

Makarska

Eigentlich möchte ich heute über Mostar und dann weiter nach Dubrovnik fahren. Es sind ca. 220 km die zu schaffen sein sollten, aber ich habe schlecht geschlafen und deute das als ein Zeichen mich, so lange es noch geht, um das Vorderrad zu kümmern. Also fahre ich die knappe Stunde zurück nach Split und bin nach 3 Stunden mit gechecktem Motorrad und einem neuen Vorderreifen wieder auf den Weg Richtung Süden. Da in ganz Split kein Reifen von Heidenau aufzutreiben ist, fahre ich bis zum nächsten Reifenwechsel vorn mit dem Michelin Karoo 3 und hinten mit einem Heidenau Scout K60. Dafür sind die gefühlten Probleme weg und der Kopf wieder frei. Nach Aussage des BMW-Mechanikers habe das Profil offenbar einige Kilometer Autobahn in Frankreich und Italien nicht so gut verkraftet. Stollenreifen und Highspeed passen offenbar nicht zusammen.Wieder dazu gelernt. Außerdem weiß ich schon mal, dass ich dem Hinterrad beim nächsten Service / Reifenwechsel eine neue Bremsscheibe spendieren muss. 

Während ich auf das Ende des Reifenwechsels warte.

Zwischen Split und Makarska

Ich komme erst nachmittags wieder in Makarska an und entscheide mich nicht nach Mostar zu fahren und dort zu übernachten, sondern in der Unterkunft der letzten Nacht nachzufragen. Mindestens zwei Stunden nach Mostar zu fahren und dann noch die Suche nach einer Unterkunft möchte ich mir ersparen. Es klappt. Das Studio ist noch nicht wieder vermietet. Morgen werde ich entspannt losfahren und mehr Zeit haben um nach Mostar zu fahren und um abends dann vielleicht schon wieder in Dubrovnik sein zu können.

Und ich habe sie gesehen. Die Sonne und die blaue Adria. Ein Wetter wie man es sich vorstellt in Kroatien und an der Adria. War der Zusatztag nicht nur für das Motorrad und meine damit verbundenen Gedanken gut, sondern auch für die allgemeine Psyche. 

Tags: Kroatien, Balkan