Abkürzung

Italien: Ich habe durch Corona viel Zeit verloren. Damit ich am Ende nicht in winterliches Wetter gerate, werde ich nicht mehr den kompletten "Stiefel" umfahren, sondern Italien ab La Spezia in östlicher Richtung abkürzen, Italien kann ich immer nochmal nachholen.
Wegen des starken Regens fahre ich nicht durch die Berge, sondern auf der Uferstraße nach Albenga, wo ich die nächste Nacht verbringen will. Ich verzichte auf Dolceacqua und damit auf die Besichtigung der "Ponte Vecchio aus dem 15. Jahrhundert, einem beliebtem Fotomotiv, der Bogen überspannenden Gässchen, gewundenen Treppen und schmalen Brücken und werde nicht nachfühlen können, warum Claude Monet ihn einen "Ort der Leichtigkeit" nannte. Auch Apricole, ein ehemals verlassenes kleines Bergdorf, das in den 60er und 70er Jahren von Künstlern wieder besiedelt worden sein soll, bleibt auf der Strecke. Weil ich früher als geplant in Albenga ankomme, entschließe ich mich, trotz des mittlerweile gelegentlich weniger gewordenen Regens, mir stattdessen den gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern von Albenga anzusehen.
rechts das Hotel "Villa Rosa" in Albenga
Ich bin überrascht denn beim Schlendern durch das Gewirr der auch hier schmalen, hin und wieder von kleinen Bogen überspannten Gassen, sehr schmalen Gässchen und Gängen bekomme ich den Eindruck, dass jeden Moment irgendwo ein Nachttopf aus dem Fenster geschüttet werden könnte. Im Zentrum der Stadt drücken sich um einen kleinen Platz herum die augenscheinlich historisch bedeutsamsten Gebäude. Neben dem mehreckigen Baptisterium, einer Taufkirche aus dem 5. Jahrhundert, dessen Fundament deutlich unter dem heutigen Straßenniveau liegt, die so genannten Geschlechtertürme, wie man sie aus San Gimignano kennt und die im Mittelalter einflussreichen Familien zu Schutz- und Wohnzwecken dienten und die Kathedrale, deren Glockenturm in etwa die gleiche Höhe der Geschlechtertürme ausweist. In der Kathedrale suche ich Schutz vor einem erneuten Regenschauer und verlasse sie wieder, als das Dauergemurmel von Gebetsinhalten nicht enden will, der Regen aber dafür nachgelassen hat.
Altstadt von Albenga
Da ich in Südeuropa immer dann unterwegs war, wenn über einen langen Zeitraum kein Regen gefallen war, sah ich zwar die breiten ausgetrockneten Flussbette, hatte mich auch gewundert, warum sie oftmals auch betoniert im Meer mündeten, hatte aber noch nie beobachten können warum. Der heutige Regen machte aus der durch Albenga fließenden "Centa" einen reißenden Fluss. Ihr braunes Wasser trifft an der Mündung brodelnd auf das grün-bläuliche Wasser des Mittelmeeres und verursacht dort eine großflächige, an eine Ölverschmutzung oder ähnliches erinnernden Farbveränderung. Auch vielen Italienern scheint es ein besonderes Erlebnis zu sein, denn nicht wenige stehen am Strand und fotografieren.
Zum Abendessen gehe ich zurück ins kleine, familiengeführte, unmittelbar am grauen Kiesstrand gelegenen Hotel, das neben seinen Gästen einen Charme versprüht, der mich an eine ältere Pension in einem Kurort erinnert. Nett und in die Jahre gekommen. Das Essen ist aber lecker und der Frust des Tages langsam wieder verflogen.
Die Morgensonne sorgt dann für eine weitere Steigerung der Stimmung und nachdem auch die Italiener dies erkannt zu haben scheinen, sind an diesem Sonntagmorgen bereits viele schon mit Sack und Pack auf dem Weg zum Strand.
unterwegs
Mein heutiges Ziel ist Rapallo, etwa 30 km östlich von Genua. Bis nach Savona fahre ich die ersten der insgesamt knapp über 200 km am Meer entlang und nachdem ich in den letzten Tagen und Wochen immer mal wieder den Duft von Nadelgehölz, frisch geschlagenen Bäumen, Kräutern oder Lavendel wahrgenommen hatte, empfangen mich an der Küstenstraße vereinzelt Strände mit einer Mischung aus unterschiedlichen Sonnenschutzmitteln.
Hinter Savona geht es in die Berge. Ist die eine Hälfte der Italiener am Strand, scheint es als sei die andere in den Bergen unterwegs. Selbst auf den kleinsten Straßen, in den höchsten Höhen und kurvigsten Abschnitten kommen mir zeitweise ganze Motorradgruppen und gelegentlich auch Autos entgegen. Aber mein Navi kennt auch Abschnitte in denen nicht so viele unterwegs sind, auch welche, wo ich überlege weiterzufahren, weil die Straße oder besser der Weg durch Regenwasser etwas aus der Form gebracht worden ist oder es mal wieder schlichtweg nicht weitergeht, weil die Straße zu Ende ist.
Das führt nördlich von Genua dazu, dass ich umkehren und den Weg durch Genua nehmen muss und ich mich mit einer völlig anderen, als in den letzten Wochen erlebten Fahrermentalität auseinandergesetzt sehe. War es mir als sei ich in den letzten Wochen einer der wenigen die überholten, wurde ich jetzt selbst im dichtesten Verkehr noch überholt. Von Roller- und Motorradfahrern. Auch die Autofahrer fahren, als gäbe es die motorisierten Zweiradfahrer gar nicht, was sicher damit zu tun hat, dass diese so fahren, als gäbe es wiederum die anderen nicht.
Eigentlich bin ich ein absolut defensiver Verkehrsteilnehmer - tief in meinem Herzen - irgendwo. Ich zolle den Roller- und Motorradfahrern in Genua und auch sonst in allen andern italienischen Großstädten meinen Respekt und erkenne neidlos an, dass sie mir eine Wellenlänge voraus sind. Bis übermorgen.
Blick von "Nostra Signora di Montallegro" auf Rapallo
"Nostra Signora di Montallegro"
In Rapallo erwartet mich ein kleines, villenartiges Hotel mit einer Bewertung von über 9 Punkten, zu einem günstigen Preis in dem auch noch ein relativ umfangreiches und nicht unbedingt italienischtypisches Frühstück enthalten ist. Das Gebäude aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, wie überhaupt der Ort an der nicht weit entfernten Uferpromenade Spuren der so genannten "Belle Epoche" aufweist, liegt mit seinem kleinen Garten etwas eingeengt und geduckt zwischen höheren Gebäuden der späteren Jahrzehnte. Viel Nippes und Bilder im Haus und in den Zimmern zeugen von einer gewissen Verspieltheit aber auch Liebe zum Detail. Die Außenfarbe des Hotels ist Rosa und erinnert spontan ein wenig an die "Puder Rosa Ranch" aus dem Film "Der Schuh des Manitu" und tatsächlich wird das Hotel auch von zwei Männern geführt.
Die nächste Übernachtung soll in La Spezia erfolgen. Auf dem Weg dorthin will ich mir die Cinque Terre ansehen, fünf Dörfer, Riomaggiore, Manarola, Corniglia, Vernazza und Monterosso, die zum Unesco-Weltkuturerbe erklärt worden sind. Irgendwo auf halber Strecke komme ich an einem Haus mit einem Motorradgeschäft und Werkstatt vorbei. Die Bewegungen im Vorderrad möchte ich abgeklärt wissen und tatsächlich ist man bereit mich dazwischenzuschieben, allerdings erst nach der Mittagspause zwei Stunden später. Nach einer weiteren Stunde steht fest, dass das Lenkkopflager ausgetauscht werden müsste, aber mangels vorhandenem Ersatzteil vorerst neu eingefettet und wieder eingebaut wird.
In der Werkstatt
Aber zurück zur Cinque Terre. Durch den Werkstattaufenthalt geht eingeplante Zeit verloren. Zeit, die ich gerne den 5 Dörfern gewidmet hätte. Ich belasse es bei einer kurzen Stippvisite in Monterosso, wo offenbar gerade ein paar Koffer ziehende Touristen aus dem nahen Bahnhof angekommen sind, habe von der höher gelegenen, sich um die Felsen schlingende Küstenstraße eine schönen Blick auf die anderen Dörfer und beschließe, bevor ich weiter nach Bologna fahre, am nächsten Morgen noch einmal zurückzukommen und mir stellvertretend für alle Fünf Manarola anzusehen.
Blick auf RiomaggioreManarola
Im Gegensatz zu Montrosso scheint Manarola noch etwas verschlafen zu sein, was nicht nur der Tageszeit geschuldet ist. Nachdem ich das Motorrad einige hundert Meter vor dem Ort abgestellt habe, denn jeglicher Fahrzeugverkehr ist im Ort untersagt und auch gar nicht möglich, gehe ich die enge steile Straße Richtung Meer. Die bunten Häuser kleben förmlich an den zu beiden Seiten aufragenden steilen Felswänden. Viel Platz bleibt nicht und so hat man den Gebirgsbach der sich seinen Weg aus den höheren Lagen durch die Felsspalte ins Meer sucht, kurzerhand größtenteils unter die Straße verlegt. Auf dieser "parken" gegen Ende mit Planen abgedeckte Boote vor den Häusern. Ich vermute von oben einen besseren Blick auf das Dorf und gehe kurz nach Ortseingang den steil nach oben führenden Weg zwischen den kleinen Gärten am Fels entlang. Jeder an dieser steilen Wand einigermaßen nutzbare Quadratmeter ist angelegt. Schmale Wege und teilweise abenteuerliche kleine Treppchen führen zu den jeweiligen Schollen. Der Blick ist zwar sensationell, aber unter mir befindet sich eine kleine Kapelle, von der aus ich auch eine gute Sicht gehabt, mir aber in der Schwüle des Morgens die Kraft gespart hätte. Zu dieser Kapelle gelange ich dann, nachdem ich eine dieser steilen Treppen bergab nehme und durchs Dorf bis zum Wasser gehe. Dieser kurze, durch die Steillagen auch streckenweise anstrengende Abstecher nach Manarola dauert über eine Stunde, aber ich hätte ihn nicht missen wollen.
Danach geht es durch die Berge weiter nach Bologna, wo ich am frühen Abend eintreffe, schlendere durch das Zentrum einer Stadt, die man gut und gerne nochmal besuchen sollte, so fühlt man sich in die Zeit der Medici und Co versetzt und am nächsten Tag nach Österreich.
Bier bestellt und Essen gespart
Bologna
Falschparker
Die Reparatur des Lenkkopflagers erfolgt in der Nähe von Villach, wo ich zwei Tage bleibe. Es hatte sich relativ kurzfristig ergeben, dass zwei befreundete Pärchen von den Blue Knights, Arnold, Marita, Thorsten und Katrin, die ab dem 15. Juni wieder geöffneten Grenzen zu einem 4-tägigen Urlaub im Lesachtal in Kärnten nutzen wollen. Da es passt, mache ich einen Umweg.
Blick vom "Alpenhof-Strenge"
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