1001 Nacht - Seidenstraße - Khiva
Hinter Nukus entlang des Amudarja geht es Richtung Khiva, Chiwa oder auch Xiva. Hier werde ich mich in zwei Tagen von Tom verabschieden.
Der Amudarja beginnt als Zusammenfluss zweier Flüsse an der Grenze nach Afghanistan und mündete früher in den Aralsee. Heute versickert er weitestgehend in der Wüste. Südwestlich von ihm, zwischen Nukus und dort, wo er weiter südöstlich zum Grenzfluss zwischen Usbekistan und Turkmenistan wird, erstreckt sich ein weites, bis an Turkmenistan heranreichendes fruchtbares Gebiet. Spürte man vor ein paar Tagen noch den heißen Wüstenwind, wo es angenehmer war das Visier geschlossen zu halten als mit offenem zu fahren, spürt man nun geradezu die Feuchtigkeit in der Luft. Entlang der Straße weite Felder mit Obstplantagen, Mais immer wieder Baumwolle und Reis. Gerade beim Letzteren duftet die warme Luft zuweilen als koche man Reis.
Von Nukus nach Chiwa muss man den Amudarja überqueren. Eine Eisenbahnbrücke scheint, wie auch fast die gesamte Strecke seit der Grenze relativ neu zu sein, dafür mangelt es an Brücken für den Straßenverkehr. Hatte ich bis dato zwar schon Pontonbrücken befahren, so ist die jetzige schon eine neue abenteuerliche Stufe und kleine Herausforderung. Relativ stark frequentiert teilen sich Fahrzeuge und Fußgänger die Brücke die überwiegend aus übereinanderliegenden Eisenplatten zu bestehen scheint, die ständig in Bewegung sind und dabei ein knirschendes, metallisches Geräusch verursachen und in den Übergangsbereichen von einander abheben.
Die Altstadt von Khiva ist von einer hohen Mauer umgeben deren Form und Ausmaße ich so noch nicht gesehen habe. Das Guesthouse ist nur wenige Meter vom Palvan Darvoza, dem "Kampftor" und östlichen der insgesamt vier Stadttore entfernt. Im Palvan Darvoza befanden sich unter anderen Zellen für Aufständische und bis 1873 auch ein Sklavenmarkt.
Bei untergehender Sonne bleibt noch Zeit für einen ersten Bummel mit dem primären Ziel endlich einen Bargeldautomaten zu finden, der ohne Probleme auch Geld ausgibt. 2 000 000 So'm entsprechen ungefähr 155 €. Die Scheine passen fast nicht ins Portemonnaie so dick ist der Batzen.
In Chiwa ist Nebensaison, das lässt vielleicht auch erklären warum die Drehkreuze an den beiden Haupttoren offen stehen und man keinen Eintritt zahlen muss. Es mag aber auch daran liegen, dass morgen für 2 Tage das Melonen Festival stattfindet, zu dem auch der Präsident von Usbekistan kommen wird.
Moschee - Eingangstür
Gebetsraum - Abtrennung für Frauen - Halle mit 215 Holzsäulen, zum Teil aus dem 10. Jahrhundert
Sultanspalast - Thron
Auf dem Vorplatz des Palvan Darvoza ist eine riesengroße Bühne aufgebaut worden, kegelförmige meterhohe Türme mit mehreren übereinander liegenden Reihen voller Melonen. Melonen wohin man blickt, immer umgeben von geschmückten Buden, Girlanden usw.. Die Sonne geht gerade auf und wirft noch lange Schatten auf den Platz, auf dem bis zuletzt noch geputzt und gefegt wird.
Die Altstadt bietet so früh am Morgen einen besonderen Anblick. Die Temperaturen sind noch angenehm, die Souvenirstände sind noch nicht aufgebaut und die aufgehende Sonne zaubert ein besonders warmes Licht über die Stadt. Es sind nur wenige Menschen unterwegs und doch auch ein paar Touristen die wie ich offenbar dieses besondere morgendliche Flair genießen. Es wird nicht lange dauern, dann wird das Festival Menschenmassen in die Stadt spülen. Ich werde mich überraschen lassen.
Manches fällt auf.
Der fast als gesittet zu bezeichnende Straßenverkehr zum Beispiel. An einem Stopschild wird ausnahmslos angehalten, Fußgänger haben hier Vorrang, wird kaum gehupt oder gedrängelt, selten gerast, es sei denn man ist auf einer Landstraße und sind fast alle Pkws und Minibusse von der Marke Chevrolet und in weiß. Vor ein paar Jahren begann GM Europe in Usbekistan mit der Autoproduktion. Seitdem kommen 90% aller in Usbekistan neu zugelassenen Fahrzeuge aus diesem Werk. Warum aber in weiß kann ich nicht sagen, vermutlich aber aufgrund der hohen Temperaturen im Land.
Mir fällt auf, dass hier so gut wie niemand eine Brille trägt, außer einer Sonnenbrille vielleicht.
Aber es fällt mir auch auf und überraschte mich zugleich, dass nicht selten überwiegend ältere Frauen mindestens die komplette obere Zahnreihe vergoldet haben. Sei es die Bedienung im Restaurant oder die Mutter meines Pensionsinhabers.
Die wenigen europäisch aussehenden Menschen fallen ebenfalls auf. Sie wirken etwas exotisch in dieser doch zum Teil eher orientalischen Welt. Ich werde angesprochen weil man wissen möchte woher ich komme und dann macht man wie selbstverständlich ein Foto.
Mein Pensionswirt mittleren Alters, seine Ehefrau und seine Mutter sind anwesend.
Er und ich wollen noch einen kleinen Gang über das Festival machen. Seine Frau reinigt gerade ein freigewordenes Zimmer. Er ruft sie und sagt etwas, woraufhin sie einen seiner Badelatschen aufhebt und ihn mit einem feuchten Tuch zu reinigen beginnt. Ich stehe ungläubig daneben. Dann nehme ich ihr den Lappen aus der Hand, hebe den zweiten Schlappen auf und reiche beides meinem Wirt. Die Mutter nickt zustimmend und lächelt und auch seiner Frau huscht ein Lächeln übers Gesicht. Er scheint verstanden zu haben und ohne weiteres Zögern putzt er mit einem Lachen seinen Latschen selbst.
Der Tag geht zu Ende. Das Festival klingt an diesem ersten Tag langsam aus. Wo gestern nur vereinzelt Menschen durch die Gassen flanierten waren es heute Massen. Etwas abseits in einem Restaurant lasse ich zu späterer Stunde das langsam abnehmende Treiben auf mich wirken und stelle fest, dass ich mich absolut wohl und sicher fühle. Das war in Russland und in Teilen Georgiens nicht immer der Fall.
Etwas später als üblich gehe ich zurück zur Unterkunft. die sich nur wenige Schritte außerhalb der Stadtmauern befindet, doch das hölzerne Stadttor ist geschlossen. Von außen mit einem Vorhängeschloss gesichert. Jugendliche kommen ebenfalls nicht hinaus, sprechen durch den Türschlitz mit einem Polizisten, kehren dann um und gehen zurück, können mir aber auch nicht sagen wie es weitergeht. Will man mich deshalb einsperren, muss man zuvor wenigstens das Tor öffnen, also ziehe ich das Tor hin und her, ein Rütteln kann man es bei der Größe und Schwere des Tores nicht nennen, und warte ab. Erneut erscheint ein Polizist am Türschlitz und ich frage ihn "Do you speak english?" Kurz danach wird das Tor geöffnet und ich kann unbehelligt hinaus. Draußen warteten 5 junge Frauen und huschen hinein.
Einladung zum Mittagessen bei unserem Pensionswirt
Tags: Usbekistan