Armenien
Reifenwechsel und Service für mein Motorrad in Tiflis gestalteten sich dank der Vorarbeit von Peter reibungslos.
Als er vor 14 Tagen für einen Zwischenstopp nach Deutschland musste und sich Reifen und Felgen mitbrachte, hatte er auch einen Vorderreifen für mich dabei. Meine Tour konnte ich dann so verknüpfen, dass wir uns im Hotel in Tiflis wiedersahen und beschlossen Armenien gemeinsam zu fahren.
Die Grenzformalitäten inklusive Registrierung des Motorrades sind relativ schnell abgewickelt. Das Besorgen einer SIM-Karte und Autoversicherung gleich hinter der Grenze, dauert da schon etwas länger.
Noch nicht ganz in Armenien weiß ich bald nicht mehr wem ich auf der kurzen Strecke schon alles gewunken habe. Alten Frauen, Kindern, Männer jeden Alters. Lkw kommen mit Lichthupe entgegen. An der ersten Tankstelle bittet man um ein Foto vor dem Motorrad, ein anderer darf sich sogar draufsetzen. Das ist gefühlt noch einmal eine Steigerung zur Türkei bei deutlich erkennbarem Gefälle der Armutsgrenze.
Armenien und Georgien unterscheiden sich ebenfalls. Die armenische Schrift ähnelt nur im ersten Moment der georgischen, ist sie doch genauso verschnörkelt, findet sich zum Glück neben der armenischen nicht selten die kyrillische, aber auch die lateinische Schrift in englischer Sprache. Die Nähe zu Russland bzw. zur ehemaligen Sowjetunion ist unverkennbar. Die Uniformen, insbesondere aber die Mützen der Grenzbeamten z. B. scheinen 1:1 kopiert- Ein sehr großer Anteil der Fahrzeuge, egal ob LKW oder PKW stammen aus russischer Produktion, vorne weg der Lada, und gelegentlich sehe ich erstmals mir bis dato unbekannte Fahrzeugmarken.
Armenisches Wohnmobil made in Sowjetunion
Armenien sah sich in der Vergangenheit von allen ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus am engsten Russland verbunden, im Gegensatz zu Georgien, das eine EU-Mitgliedschaft anstrebt. Auf einer Gedenktafel nahe des Klosters Sanahin, die die Stadt Sanahin für ihre beiden Söhne, die Brüder Mikoyan, einer Flugzeugpionier der andere Außenminister, nebst Museum und originaler MIG 21 errichten ließ, ist deutlich herauszulesen, dass die Verbundenheit und die Spuren der Sowjetunion für Armenien viel zu selten hervorgehoben werden.
Ganze Industrieanlagen verrotten und verrosten und verschandeln die ersten Eindrücke einer zwar bergigen aber wieder anderen Landschaft als in Georgien. Die Straßen sind zum großen Teil in einem noch schlechteren Zustand. Fahrbahnmarkierungen fehlen, würden auch keinen Sinn machen, wird doch das Überholen mancherorts zu einem Vabanquespiel, könnte der Vordermann doch unverhofft gerade einem Schlagloch ausweichen und so wird nicht selten in Schlangenlinien gefahren. Die Wohnhäuser, insbesondere die des so genannten Sozialen Wohnungsbaus sind in einem erbärmlichen Zustand. Nur wenn man die Geldscheine der armenischen Währung, dem Armenischen Dram (AMD) in den Händen hält kann man sich fast als Millionär fühlen. Ein Liter Normalbenzin kostet etwa 540 Dram, ein Bier im Restaurant zwischen 800 und 1300, ein einfaches DZ im Hotel 6000 - 10000 Dram. Zieht man sich für 100 € am Bargeldautomaten Geld erhält man ungefähr 45.000 Dram. Eine SIM-Karte kostet inkl. 6 GB Datenvolumen und 120 Minuten Gesprächseinheiten 2000 Dram, gültig für einen Monat, unbegrenztes Datenvolumen bekommt man bereits für 5000 Dram. Die obligatorische Kfz-Versicherung kostet für einen Monat 8000 Dram, wobei man sich hinsichtlich der Deckungssumme nicht so anstellen sollte, wird eine Versicherung in Armenien offenbar überbewertet, was man an den vielen nur notdürftig oder gar nicht reparierten, dennoch am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeugen erkannt.
Das etwa 1000 Jahre alte Kloster Sanahin wird mein erstes Ziel, das angrenzende Hotel zum ersten Übernachtungsort. Ältere Frauen verkaufen am Eingang kitschig buntes Selbstgestricktes, Ketten oder sonstig unnützes Souvenir. Der Eintritt selbst ist aber frei.
Ein dunkler Regenhimmel im Hintergrund geben der in grauem Stein erbauten Kirche und den umstehenden Gebäuden einen fast mystischen Rahmen. Die Menge der Touristen ist mehr als überschaubar. Nach Kloster Sanahin und einem Abstecher zum Kloster Haghpat geht es über hochgelegene, relativ gute Straßen nach Dilijan. Das Wetter beginnt umzuschlagen. Nahe der kleinen renovierten Altstadt finden wir ein Hotel.
Kloster Haghbat
Der Morgen sieht gut aus, einem Abstecher zum Kloster nach Gosh und in den Nationalpark von Dilijan steht nichts im Weg. Doch schon auf der weiter durch das hochgelegene Malokonerdorf Semyonovka (Molokanen (Milchtrinker) spirituell ausgerichtete Glaubensrichtung aus dem russisch -orthodoxen. Aus Russland während der Zarenzeit in den Südkaukasus vertrieben) ziehen sich erste dunkle Wolken zusammen. Von Ferne sieht man den unten auf 1900 Meter Höhe gelegenen Sewan-See, den höchsten Süßwassersee der Welt.
Am See selbst, vorbei an einer nicht fertiggestellten Hotelanlage, bei besserem Wetter sicher ein Ort an dem man sein Zelt hätte aufschlagen können, geht es abseits der am See entlangführenden gut ausgebauten , in 100-200 Meter Höhe parallel zum Ufer auf holpriger Straße mit einer super Sicht entlang.
Das erhöht auf einer Halbinsel gelegene Kloster Sewanawank wird das nächste Ziel. In der kleinen Kapelle, in der nur eine Handvoll Menschen passen, findet gerade in kleinstem Kreis eine Taufe statt. Draußen steht ein Maler und bringt die Kirche farblich auf seine Leinwand, wird ein junger Mann von der Polizei mitgenommen, da er seine offenbar verbotenen Weise hatte fliegen lassen. Glück gehabt, wollte ich meine zum Abschluss auch nochmal über dem Kloster aufsteigen lassen. Glück auch mit dem Regen. Nur ein paar Tropfen.
Wieder abseits der Straße durch ärmlichen kleinere Dörfer, abseits Verbindungsstraße, aber gelegentlich in Sichtweite des Sewan See, plötzlich wie ein großes Blumenfeld Plastiktüten in den Gräsern und Büschen. Etwas weiter eröffnet sich dann ein Müllplatz durch den die Straße scheinbar durchführt. Ein Schwarm Möwen steigt auf und Gestank in die Nase. Ein Mann nahe des Weges und mittendrin stehend gibt Handzeichen, dass der Weg, der nun von Müll überdeckt fast nicht mehr zu sehen ist, weiterführt. Mehrere Hunde am Wegesrand bellen, erneut steigen wenige Meter entfernt Möwen auf. Ich bekomme erste Hustenanfälle. Nach etwa 200 Metern ist der Spuk vorbei, fühlt sich die nächste größere Pfütze an wie ein reinigende Bad für die Reifen.
Noratus ein paar Kilometer weiter ist bekannt für sein historisches Gräberfeld. Neben alten verwittertem Grabsteine und Sarkophagen erstreckt sich im Anschluss über eine weite Fläche ein neuerer Teil des Friedhofes. Er muss das Einzugsgebiet einer ganzen Region, vielleicht der Sewan-See Anwohner sein. Kurz nach erreichen des Hotels ergießt sich ein gewaltiges Gewitter über das Land.
Alles richtig gemacht.
Frische Luft und ein strahlend blauer Himmel begrüßt den Morgen. Nach einen überschaubaren Frühstück muss ich erstmal tanken bevor es zum Selim Pass geht. Plastikgeld scheint, wie schon im Hotel, auch hier noch nicht angekommen zu sein. Schnell sind etliche Dram bezahlt, was neben den Übernachtungskosten natürlich die Bargeldkasse schmälert, zumal Bargeldautomaten rar sind.
Am Selim-Pass ringsherum eine fantastische Landschaft. Berge mit bis in die spitzen überzogenen grün als habe man sie angemalt. Keine Bäume, so gut wie keine gesteinsfarben, nur grün und immer wieder große Flächen blühender Pflanzen.
Der Besuch einer alten Karawanserei am Weg der ehemaligen Seidenstraße, lässt einen gedanklich kurz eintauchen in eine längst vergangene Zeit. Das Steingebäude ist außen und innen unveränderte, ein älteres Ehepaar bietet ein paar Souvenirs an. Sonst nichts in dieser Abgeschiedenheit.
Kurze Zeit später, auf einem Weg, den man eigentlich als Wanderweg bezeichnen würde geht es Kurve um Kurve weiter nach oben. Dunkle Wolken und erste Regentropfen drängen ein wenig zum Weiterkommen, ist der Weg meist zudem ständig-erdig und es muss ja auch mal wieder runtergehen.
Noch geht es aber bergan. Das Vorderrad rutscht in eine nicht so schnell erkennbare, weil bewachsene, etwa 20 cm tiefe schmale Längsfurche aus der es kein Entrinnen gibt. Ich falle zur Seite und das Motorrad auf meinen linken Knöchel. Autsch. Die Schmerzen sind jedoch nicht so schlimm wie bei meinem Wegrutscher 2019 in der Ukraine. Den Stiefeln sei Dank. In Jermuk, das bekannt ist für seine Thermalquellen und dem größten Wasserfall des Landes, wird das Laufen aber zusehends schlechter und schmerzhafter, ist weiterhin aber nur eine kleine Schwellung zu sehen. Nach einem kleinen Erkundungsgang durch den Ort lasse ich mich ins Bett fallen.
Von Jermuk aus zur M2, der Verbindungsstraße unter anderem nach Goris. Unterwegs nahe Sisian kurzer Besuch in Norats Kars, dem angeblichen Stonehenge von Armenien. An der Straße, am Abzweig zur historischen Stätte eine Nachbildung des eigentlichen Stonehenge. Der Eintritt kostet 1400 Dram, etwa 3 Euro, ist der eigenetlichen Stätte meines Erachtens jedoch nicht angemessen. Ein paar alte, zum Teil umgefallene Steine im Kreis, ein Steinhügel mit einer Art Grabkammer in der Mitte. Wissenschaftlich bzw. kulturhistorisch mag das von Bedeutung sein, ich finde es nicht besonders. Am Abend entlädt sich in Goris ein Gewitter. Das Regenwasser schießt in reißenden Bächen durch die offenen, gemauerten Regenrinnen direkt neben dem Fahrbahnrand, An Straßenecken, wo sich zwei dieser Bäche treffen sieht es aus als brodele das Abwasser, kommt etwa einen halben Meter als Fontäne aus dem Graben. keine guten Aussichten für den nächsten Tag, an dem es zur Grenze nach Iran gehen soll.
Aber wieder einmal wie so oft im Kaukasus, beginnt der Morgen mit einem strahlend blauen Himmel. Der Plan ist, über Kapan, einer mittelgroßen Stadt im unteren Teil Armeniens zum Grenzübergang nahe Meghri zu fahren und von dort entlang der Grenze zum Iran in östlicher Richtung bis zur Grenze nach Aserbaidschan und von dort Richtung Norden nahe Berg Karabach, mit einer Zwischenübernachtung wieder über Kapan zurück nach Goris zu fahren. Das ist zumindest der Plan.
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