Türkei Teil 1 mit Resümee

Nach einem kleinen Abstecher zur irakischen Grenze geht es Richtung Norden zum Vansee oder auf türkisch Van Gölü, dem größten See der Türkei.

Der in 1650 m Höhe gelegene Vansee ist mit einem ph-Wert von 9,8 zugleich auch der größte Natronsee der Erde. Lufttemperaturen um 16/17 Grad sind jedoch nicht geeignet ein Bad zu nehmen. Schneebedeckte Berge und Vulkane umrahmen den See. Ein Panorama wie in Norwegen. Auf dem Weg zum Rand des Nemrut Kratersee rechts und links Schneereste. Eine Schildkröte überquert in 2500 Meter Höhe die Straße. Vom Rand ein Ausblick in den Krater der einem die Sprache verschlägt. Bären sollen hier bereits gesichtet worden sein, für Menschen aber nicht besonders gefährlich.

Nach der Umrundung des Sees in nördliche Richtung und Weiterfahrt nach Van herrliche Blicke auf den schneebedeckten 4058 m hohen Vulkan "Süphan".

Mit einer kleinen Fähre geht es nahe Van auf die kleine im Vansee gelegene Insel Akdamar mit der armenischen "Kirche zum Heiligen Kreuz". Die Überfahrt dauert etwa 30 Minuten. Verblichene Wandmalereien im Inneren und viele Reliefs biblischer Figuren, der anatolischen Fauna und teilweise bereits ausgestorbener Tiere verzieren das Kirchengebäude. Ich ahne, dass ich in Georgien und Armenien noch einige dieser Kirchen besichtigen werde. 

In Van verabschiede ich mich von Heike, die weiter in den Iran fährt. Auf der D 975 Richtung Norden ein kleiner Zwischenstopp an den Wasserfällen nahe Muradiye wenige Kilometer nördlich des Vansee. Kaum durchkommen auf der Hängebrücke aber dennoch ein toller Blick auf die Wasserfälle. In einem kleinen Wäldchen laute Musik und Tanz.

Ich gehe zu meinem Motorrad zurück und sehe eine kleine Gruppe interessiert daneben stehen. Es sind Motorradfahrer aus dem Iran, unter ihnen eine Frau, Klasse 1 Fahrlehrerin nur für Frauen mit eigener Benelli erfahre ich. Außerdem erfahre ich, dass es nicht immer ganz einfach sei als Frau im Iran Motorrad zu fahren, aber sollte sie mal die Polizei anhalten wollen, gebe sie einfach Gas. 

Mein heutiges und damit auch schon  vorletztes Ziel in der Türkei für diesen Abschnitt ist der Ishak Pasha Palast bei Dogubayazit.

Nachdem ich genug habe von der teilweise wie eine Autobahn ausgebauten Straße biege ich meinem Navi zufolge rechts ab und komme immer weiter auf immer schlechter werdenden Straßen dem Ararat scheinbar immer näher. Je weiter ich in diesen entlegenen Winkel der Türkei, so kurz vor dem Iran komme, desto ärmlicher werden die Dörfer. Ärmliche Steinhäuser, vor denen zum Trocknen Kuhfladen zu Mauern aufgestapelt stehen, am Rand der schlechtesten Erdstraßen die ich je gesehen habe. Teilweise mit getrockneten tiefen ehemaligen Schlammspuren die mir zeigen, dass die Straße nicht immer von Motorrädern befahren werden kann. In der ganzen Türkei habe ich bis dato nichts vergleichbares gesehen. Später wird mir bewusst, dass ich seit Tagen keine größeren Bäume, geschweige denn ein Wäldchen gesehen habe, befinde ich mich doch die ganze Zeit in einer Höhe zwischen 1500 und 2000 Meter. Die vielen Kühe sind also nicht nur Fleisch- und Milch-, sondern auch Brennstofflieferanten. Als die Schlagloch-Erdstraße zu einem steil in die hügelige bis bergige Landschaft ansteigenden Feldweg wird, wende ich in Anbetracht noch weiteren ungewissen 18 km und fahre etwas weniger abenteuerlich, aber auf erdigen Serpentinen zum Campingplatz unterhalb des Ishak Pasha Palast.

Quasi zur Begrüßung erhalte ich einen "Leder Cay", denn auf ein Bier müsse ich noch warten, seien gestern Motorradfahrer aus Deutschland da gewesen und hätten alle Bestände weggetrunken. Passend zum Abendessen im platzeigenen Restaurant steht dann aber ein kühles Efes auf dem Tisch. 

Ani, südöstlich von Kars gelegene, ehemalige Armenische Hauptstadt und seit etwa 3 Jahrhunderten verlassen, soll mein vorerst letztes Besichtigungsziel in der Türkei, ein Hotel in Kars meine vorerst letzte Übernachtungsstätte werden. Ani wird es dann nicht, weil das Wetter umschlägt. Stürmische Böen, Temperatursturz auf zeitweise 12 Grad und rundherum dunkle Wolken. Ani dann vielleicht morgen. Kars selbst überrascht dann erneut. Gefühlt gibt es mehr Läden in denen man Alkohol kaufen kann als Herrenfrisöre. Sogar an einem Dessous-Shop komme ich vorbei.

Morgen geht es nach Georgien, Zeit also für eine kleines Türkei-Zwischenresümee. 

Sehe ich einmal davon ab, dass ich fast die ganze Zeit mit Peter und Heike unterwegs war und sich dadurch sicherlich andere Situationen ergaben als wenn ich allein unterwegs gewesen wäre, bin ich seit mehr als 4 Wochen und damit länger als anfangs gedacht in der Türkei unterwegs gewesen. Ich könnte sogar noch länger bleiben und deshalb werde ich mir auf der Rückreise aus dem Kaukasus auch noch einmal Zeit dafür nehmen. Über 6000 km habe ich in diesen 4 Wochen zurückgelegt, knapp über 300 Euro für Übernachtungskosten ausgegeben, für einen Liter Benzin umgerechnet 1,35 Euro bezahlt und hat die Türkische Lira etwa 5 % an Wert verloren, bemessen an dem sich verändernden Wechselkurs. 

Die Türkei hat mich zum Teil doch sehr überrascht. In vielen Teilen habe ich ein anderes Bild von diesem Land aber insbesondere auch von den Menschen erhalten als jenes, das in Deutschland zum Einen durch die dortigen Türken geprägt worden ist, auch denen, mit denen ich während meines Jobs zu tun hatte, zum Anderen aber auch durch meine Sicht auf die Türkei, sicher beeinflusst auch durch die Medien. Betrachte ich es für den Tourismusbereich etwas differenzierter, so habe ich überall eine unglaubliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erfahren, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Sei es der Autofahrer der etliche Kilometer Umweg fährt um zu helfen, sei es der Hausbesitzer der sein Haus zum Übernachten anbietet, sei es ein älterer Werkstattbesitzer, der ein düsteres Gesicht zieht als man ihm einen kleinen Obolus geben möchte für die schnelle Reparatur eines defekten Teiles und man gar nicht umhin kann den angebotenen Cay zu trinken, auch wenn man hinsichtlich Hygiene nicht ganz so pingelig sein sollte oder sei es das Interesse an den Motorrädern aber auch an uns, denn immer wieder schien die Freundlichkeit sich noch zu steigern, hörte man, dass wir aus Deutschland kämen.

Das Land selbst ist riesengroß und deshalb sicher auch so abwechslungsreich. Das Bild der Bevölkerung verändert sich ständig, ob von West nach Ost, Dorf oder Stadt, so wie die Landschaften die immer wieder andere Eindrücke hinterlassen. Und wäre ich mit einem Bild der Türkei hierhergefahren, in dem alle Frauen Kopftücher tragen und mindestens einen Meter hinter ihrem Mann hergehen, dann wäre ich mehr als eines Besseren belehrt worden. Höchstens vielleicht in ländlichen Gegenden. 

Was aber besonders auffällig ist sind, neben den allgegenwärtigen Kameras, die vielen Polizeikontrollstellen, die in der Anzahl, Art der Sicherung, der Man-Power und der Bewaffnung mindestens ab Höhe Diyarbakir deutlich zunimmt je weiter man nach Osten kommt. In fast jedem Dorf nahe einer Durchgangsstraße und sowohl vor als auch hinter jeder Stadt sind Kontrollstellen aufgebaut in deren Nähe sich nicht selten auch ein militärischer bzw. paramilitärischer Stützpunkt befindet, werden ständig Kontrollen durchgeführt, wurden wir als Motorradfahrer jedoch immer durchgewunken. Manchmal habe ich das Gefühl nicht einmal mehr einen Dixie-Busch unbeobachtet aufsuchen zu können, stehen immer wieder an den Verbindungsstraßen, aber auch auf scheinbar strategisch günstig gelegenen Hügeln nicht übersehbare Wachtürme, fährt man ständig an kleineren Militärarealen vorbei. Ich würde mich als Mensch zweiter Klasse fühlen, der ständig unter Beobachtung stünde und nicht frei sein könnte, müsste ich hier leben. Neben all der Faszination die dieses Land und seine Menschen ausstrahlen ist auch das die Türkei, was man in überwiegend touristischen Gebieten nicht sieht, sehen kann oder sehen will.

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